Frage: Was wurde am Freitag und in der Nacht auf Samstag zwischen General Motors, Magna und der deutschen Bundesregierung in der Sache Opel eigentlich beschlossen?

Antwort: Nachdem Fiat als Bieter für Opel ausgestiegen war, war die Bahn für Magna International frei. Bis zum frühen Abend hatte sich der Autozuliefererkonzern mit General Motors über eine Opel-Übernahme im Prinzip verständigt. Bevor die deutsche Bundesregierung als Garantiegeber für die Überbrückungsfinanzierung zustimmte, wurde das Konzept grob von Experten geprüft. Kanzlerin Angela Merkel wollte keine Überraschungen mehr wie bei den blamabel abgebrochenen Gesprächen Mitte der Vorwoche erleben. Deutschlands Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war gegen den Deal und für eine geordnete Insolvenz Opels, blieb aber im Kabinett allein (siehe Artikel rechts). Die künftigen Opel-Eigner: Magna (20 Prozent), Sberbank (staatlich, russisch, 35 Prozent), GM (35 Prozent), Opel-Händler und -Mitarbeiter (zehn Prozent).

Frage: Kann der Deal noch scheitern?

Antwort: Ja. Bisher gibt es nur ein Memorandum of Understanding zwischen Opel-Mutter GM und Magna. Die Details müssen noch ausverhandelt werden.

Frage: Wie steht Opel da, und warum war man so unter Zeitdruck?

Antwort: Opel braucht am Dienstag 300 Millionen Euro als Überbrückungsfinanzierung. Diese werden von Magna bereitgestellt. 1,5 Milliarden Euro, später eventuell bis zu 4,5 Milliarden, kommen von deutschen Landesbanken sowie von der staatlichen KfW-Bank. Würden diese Kredite irgendwann platzen, weil das Magna-Konzept nicht funktioniert, haftet der Staat in voller Höhe. Im Fall eines Scheiterns Magnas gehören ihm praktisch alle Opel-Aktivitäten in Deutschland.

Frage: Sind Arbeitsplätze gefährdet?

Antwort: Ja, trotz aller Frank-Stronach-Rhetorik in Richtung der Mitarbeiter. Opel ist in den roten Zahlen. Angeblich will Magna ein Fünftel der Opel-Jobs in Europa streichen.

Frage: Warum kauft sich der nach Denso (Toyota) und Bosch drittgrößte Autozulieferer der Welt einen Hersteller?

Antwort: Die Autowelt ist im Umbruch, der wichtigste Magna-Kunde General Motors zerbricht, die anderen wichtigen Kunden (BMW, Ford, Daimler) sparen an allen Ecken und Enden, der Großkunde Chrysler kämpft ums Überleben und wird im Fiat-Konzern aufgehen. Magna reagiert mit der Opel-Übernahme offensiv. Risiko: Opel darf auf Initiative des US-Finanzministers vorerst nicht in den USA und China verkauft werden (um GM zu schützen). Konkurrenten wie VW wollen tendenziell weniger Aufträge an Magna vergeben. Die Konkurrenz im Zulieferbereich wird versuchen, im Kampf um Aufträge die neue Rolle als Mitbewerber der eigenen Kunden zu thematisieren. Andererseits ist in der Autoindustrie die Zusammenarbeit zwischen Konkurrenten seit langer Zeit gang und gäbe. Außerdem weiß man, dass man aufgrund der Größe und der Produktivität nicht so einfach an Magna vorbei kann.

Frage: Österreichische Boulevardmedien skandieren angesichts des Magna-Deals bereits: "Wir sind Opel". Wie "österreichisch" ist Magna wirklich?

Antwort: Magna ist ein kanadischer Konzern, den ein gebürtiger Steirer (Frank Stronach) 1957 gegründet und zu seiner heutigen Größe aufgebaut hat. Österreicher sitzen im Top-Management (Siegfried Wolf, Herbert Demel) und im Verwaltungsrat (Franz Vranitzky). Die Europazentrale ist in Österreich (Oberwaltersdorf), Stronach hat seit den 90er-Jahren einige Magna-Werke in seiner alten Heimat etabliert. Solange der Firmenpatriarch etwas zu reden hat (der Stronach Trust hält die Stimmrechtsmehrheit), haben österreichische Werke tatsächlich einen Art Standortvorteil. Fraglich ist aber, ob der "Austro-Frank-Faktor" nachhaltig ist.

Frage: Muss Österreich auch staatliche Haftungen für Opel neu aufbringen (wegen dem Werk in Wien-Aspern)?

Antwort: Rund 3,5 Prozent aller knapp 51.000 Opel/Vauxhall-Beschäftigten arbeiten derzeit in Österreich (Motoren- und Getriebewerk, Vertrieb). Würde Opel Staatsgarantien im Gegenwert von fünf Milliarden Euro benötigen, könnte Wien also für 175 Millionen Euro geradestehen müssen. Magna will bis zu 300 Millionen, wenn sich die Gewichte verschieben (Auflassung von Werken in Belgien, England, Ausbau in Wien). Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat gesagt, man stünde bereit. Verhandlungen laufen angeblich.

Frage: Was macht Fiat nun?

Antwort: Fiat-Chef Sergio Marchionne ist sehr verärgert über den Ausgang des Opel-Verkaufs an die Magna und Sberbank. Er ließ wissen, dass er weiterhin an Saab und südamerikanischen GM-Töchtern interessiert sei. Angeblich versucht Fiat, Verhandlungen mit dem französischen Wunschpartner Peugeot-Citroën wiederaufzunehmen. Der Fiat-Einstieg bei Chrysler in den USA ist seit dem Wochenende fix. (szem, tkb, DER STANDARD, Printausgabe, 2.6.2009)

 

 

 


Das Opel-Hauptquartier.Foto: AP

 

Opel-Werk in Wien-Aspern. F.: APA