Die Grazer Annenstraße wurde am vergangenen Wochenende zur Designzone umfunktioniert. Im Rahmen des "assembly 2009"-Designfestivals - dieses Jahr bereits zum sechsten Mal abgehalten - wurden verwaiste Geschäftslokale in Graz zu temporären Showrooms, in denen heimische und internationale DesignerInnen ihre Arbeiten ausstellen konnten.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Inmitten der Schaufenster mit Mode, Schmuck, Designobjekten und Installationen tat sich vor den Augen der hungrigdurstigen BesucherInnen ein Fenster zum Himmel auf - genauer gesagt zum Tortenhimmel.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Ein zuckersüßes Kaffeehaus, voll mit den köstlichsten Törtchen, Kuchen, Pralinen, Muffins, Dognuts, Cremeschnitten und allem, was den Blutzuckerspiegel sonst noch in Wallung bringt. Hauptsächlich in Rosa und Lila gehalten, regt der Anblick von Schlagobers, frischen Früchten und Schokocremen den Speichelfluss an.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Drinnen sitzen KundInnen bei entspannter Kaffeehaus-Atmosphäre gemütlich an den kleinen Tischchen und genießen die hohe Kunst der Konditormeisterinnen.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Doch bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass sich diese Cremeschnitten niemals an Hüften und Bauch heften werden. Sämtliche Törtchen sind nämlich genäht, geflizt, geklebt, gehäkelt oder gestrickt.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Die Idee zu der kalorienfreien Konditorei entstammt Isabel Toccafondi (rechts). "Ich habe für Weihnachen ein Geschenk für meine dreijährige Tochter Lilia gesucht. Sie spiel leidenschaftlich gern mit ihrem Kaufmannsladen und so habe ich ihr ein paar Torten aus Stoff und Filz gebastelt."

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Alsbald gesellte sich Studienkollegin Dagmar Habeler zum "Bäckerinnen-Team" und die Produktion der gehäkelten und genähten Mehlspeisen stieg kontinuierlich an. Isabel und Dagmar studieren an der FH Joanneum in Graz Ausstellungs- und Museumsdesign.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Mehr als 600 Arbeitsstunden stecken in dem Sortiment des Tortenhimmels, StudienkollegInnen und FreundInnen haben immer wieder mit Hand angelegt bei der Herstellung der zuckerfreien Köstlichkeiten.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Die Zutatenliste besteht aus Wolle, Garn, Industriefilz, Schurwolle, Stoff, Klebstoff, Nadel, Faden und viel Fantasie. Für jedes Törtchen gibt es ein Schnittmuster, die Ideen für die Gestaltung haben sich die beiden aus Konditoreien geholt und entsprechend dieser Vorlagen ihr künstliches Kaffeehaus ausgestattet.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Das gesamte Kuchensortiment wurde speziell für die Ausstellung in Graz "gebacken". "Wir haben kein Geschäftslokal, unsere Torten findet man ausschließlich auf unserer Webseite www.tortenhimmel.at", sagt Isabel. Die Räumlichkeiten für das künstliche Kaffeehaus in der Annenstraße waren ursprünglich ein Juwelierladen. Bevor sie ihre Konditorei eröffnen konnten, mussten Wände gestrichen und Böden gereinigt werden.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

"Das gemeinsame Nähen und Basteln hat eine besondere Qualität. Es ist beinahe eine meditative Tätigkeit, wenn man am Abend gemeinsam arbeitet, redet und darüber alles andere in den Hintergrund rückt. Es fast wie eine Therapie", erzählt Isabel. "Bei der Eröffnung am 14. Mai haben BesucherInnen nach einiger Zeit selber begonnen, eigene Torten herzustellen", erzählt Dagmar weiter.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Isabel ist Bühnen- und Kostümbildnerin und arbeitet an der Grazer Oper. "Ich arbeite regelmäßig mit Filz, fertige daraus Schmuck und Kostüme. So war die Frage nach dem passenden Material für die Herstellung der Torten sehr schnell geklärt", erzählt sie.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

"Die Besucher sind fasziniert von diesen 'Stofftieren für Erwachsene", sagt Dagmar. Es ist ein optisches und haptisches Erlebnis, die Kuchen und Törtchen anzugreifen, zu drücken, über flauschige weiche Cremen zu streichen und den haarigen Filz auf den Fingern zu spüren. Anstatt spiegelglatter Glasuren und fettiger Cremen greift man in watteweiche Kuschelkuchen.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

"Wir ergänzen uns wunderbar. Viele unserer Studienkollegen haben in irgendeiner Form an dem Projekt mitgearbeitet", erzählt Dagmar.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

"Wir sind eine Gruppe aus Grafikerin, Architekten, Designern, Kunsthistorikern und Bühnenbildnern. Jeder hat seine Talente, die dem Projekt zugute kommen", sagt Isabel. So hat Dagmar als Grafikerin beispielsweise die Folder und die Webseite produziert.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Diese Pralinen sind "gefilzt". Dazu wird Schurwolle zerzupft und gerollt, bis eine weiche Kugel entsteht. Allein durch die Farbe der Wolle entsteht der Eindruck von "süß, Zucker, fruchtig" - durch die liebevolle Dekoration wird die Illusion allerdings perfekt.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Schlagobersringe und -spangen aus gewöhnlichem Silikon faszinieren durch ihre Eigentschaft, sich quetschen und drücken zu lassen. Auch hier widerspricht die Form den Eigenschaften und Gelerntes verliert seine Gültigkeit.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Gefilzte Kirschen als Ohrschmuck.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Einige der Torten sind als Schachteln gestaltet. Dadurch bekommt die Form zusätzlich noch einen Nutzen. "Am beliebtesten sind die Geburtstagstorten - Schachteln in Form einer Geburtstagstorte mit Kerze, in denen man kleine Geschenke verpacken kann", erzählt Isabel.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Dank der StudienkollegInnen bekamen die BesucherInnen dann aber doch auch Kuchen für den Magen. Bei sovielen optischen Reizen muss irgendwann auch der Gaum Befriedigung finden.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Erdbeer mit Schlagobers als Ring am Finger. Das Silikon ist kunstvoll drapiert, die Beeren sind aus Filz gefertigt.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Auch diese Torte mit "Rundumvollglasur" - "ein Fehler, den ich erst bemerkt habe, als die Torte schon fertig war", erzählt Isabel - hat den Zusatznutzen einer Schachtel. Die Boxen mußten die beiden auch erst in diversen Bastelgeschäften suchen.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Fruchtiger Schlagoberstraum aus Filz und Stoff. Einige der Torten sehen so überzeugend echt aus, dass man hingreifen muss, um sich davon zu überzeugen, dass sie nicht essbar sind.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Der Tortenhimmel in der Annenstraße ist inzwischen wieder geschlossen, die Torten können nun nur noch auf der Webseite der beiden bewundert und gekauft werden.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

"Wir hoffen, dass wir noch in anderen Städten ausstellen können. Am Liebsten würden wir mit unseren Torten durch Österreich fahren", sagt Dagmar. Laufend schicken sie Bewerbungen an Museen und hoffen auf Zusagen.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Das Rohmaterial für die Pralinen: Schokobraune Filzpölsterchen, die nur noch auf die Verzierungen warten.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Eine andere Methode zur Herstellung der kleinen Köstlichkeiten ist Häkeln, so wie es bei diesen Himbeerohrringen der Fall ist.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Der "Ober" in dem künstlichen Kaffeehaus auf Zeit, Christoph Steiner, ist Schauspieler.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Erdbeeren aus Filz, die sich wunderbar drücken lassen.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Ein Pudding aus Häkelgarn, ...

Foto: derStandard.at/Harmtodt

... und Dognuts aus Filz mit Zuckerguss und Schokoladestreussel.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Das gehäkelte gemischte Eis kommt natürlich mit einer Hohlhippe aus Filz.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

"Wir hoffen, dass wir unsere Torten bald in verschiedenen Städten in Österreich präsentieren werden", sagt Dagmar. Das hoffen wir auch.

Foto: derStandard.at/Harmtodt

Dann kann bald ganz Österreich mit Himbeer-Marzipan-Schnitten kuscheln und sich die Hohlhippen aus Filz durch die Finger schlängeln lassen.

Informationen zum Projekt, zur Entstehung und zu den Hintergründen gibt es unter www.tortenhimmel.at. Kontakt zu den beiden "Bäckerinnen" unter konditorei@tortenhimmel.at. (Mirjam Harmtodt/derStandard.at, 18.05.2009)

Foto: derStandard.at/Harmtodt