Belgrad - Oliver Ivanovic, einer der einflussreichsten serbischen Politiker im Kosovo, hat am Mittwoch vor einer möglichen Kontrollübernahme der Behörden in Pristina im mehrheitlich von Serben bewohnten Nord-Kosovo gewarnt. Ein derartiger Versuch würde zu "Blutvergießen und Konflikten von breiterem Ausmaß" führen, sagte der Staatssekretär im serbischen Kosovo-Ministerium in einem Gespräch mit der Tageszeitung "Danas" anlässlich der schon seit fast zwei Wochen anhaltenden täglichen Proteste der Kosovo-Serben in Mitrovica.

Serben widersetzen sich dem Wiederaufbau von fünf albanischen Häusern in der Siedlung Brdjane in der Nordkosovostadt Mitrovica. Die EULEX-Polizei setzt fast täglich Tränengas gegen die Demonstranten ein, die die von rund 40 Arbeitern durchgeführten Reparaturarbeiten verhindern wollen. Serben argumentieren ihren Protest mit der Forderung, gleichzeitig auch die Rückkehr serbischer Familien in den albanischen Südteil von Mitrovica zu sichern. Seit einem ethnisch motivierten Gewaltausbruch im Frühjahr 2004 leben dort keine Serben mehr. Premier Hashim Thaci hatte am Montag die serbische Volksgruppe wieder einmal aufgefordert, in ihre alten Heime zurückzukehren. "Wir haben alle Voraussetzungen zum Aufbau einer multi-ethnischen Gesellschaft geschaffen", meinte Thaci.

Azem Vllasi, politischer Analyst aus Pristina, ist unterdessen überzeugt, dass die EULEX-Rechtsstaatsmission, die seit Anfang Dezember im ganz Kosovo tätig ist, und die kosovarischen Institutionen "bald" die Kontrolle Pristinas über den Nord-Kosovo herstellen würden. Vllasi, ein früherer Spitzenfunktionär der Kommunisten in Jugoslawien, sagte der Belgrader Tageszeitung, dass es "keinen Zweifel" gebe, dass dieses Ziel umgesetzt werde.

Etwa die Hälfte der rund 120.000 Serben, die im Kosovo leben, ist im Norden des Landes angesiedelt. Pristina hatte im Februar 2008 die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien ausgerufen und wurde bisher von 58 Staaten anerkannt, darunter auch von Österreich. Belgrad anerkennt die Unabhängigkeit allerdings nicht. Auch die Serben im Nord-Kosovo lehnen jeglichen Kontakt mit Behörden in Pristina ab.

Belgrader Medien spekulieren unterdessen, dass der für die zweite Mai-Hälfte geplante mehrtägige Besuch des US-Vizepräsidenten Joseph Biden in Bosnien-Herzegowina, Serbien und dem Kosovo auch zu einer Beruhigung der Spannungen zwischen Belgrad und Pristina beitragen könnte. (APA)