Windows 7 RC1: aufgeräumter Desktop und übersichtliches Startmenü

Windows Media Player 12 mit Remote Media Streaming

Der RC1 enthält alle Funktionen der Windows 7 Ultimate Edition und steht ab 5. Mai zum freien Download bereit.

Der Windows XP-Modus in Windows 7

Die Entwicklung von Windows 7 geht in die finale Runde. Am 5. Mai kann sich die breite Öffentlichkeit den Release Candidate 1 (RC1, Build 7100) kostenlos herunterladen und ein genaues Bild vom Windows Vista-Nachfolger machen. Der WebStandard hat das fast fertige Betriebssystem schon vorab testen können.

Seit der öffentlichen Beta-Testversion hat sich einiges getan unter der Haube. Daneben hat Microsoft der Benutzeroberfläche den Feinschliff verliehen und alle Funktionen der finalen Version hinzugefügt. Die neuen Features des aktuellen Build 7100 der Windows 7 Ultimate Edition im Überblick:

• Remote Media Streaming ermöglicht von einem externen Windows 7-PC aus den sicheren Internet-Remote-Zugang zu digitalen Medienbibliotheken zuhause. Ist eine TV-Karte integriert, ist auch weltweites Fernsehen über das Netzwerk möglich.

• Verfeinerte Navigation: Verbesserungen an der Taskleiste, den Sprunglisten und der Suche.

• Internet Explorer 8: Durch InPrivate Browsing im Internet Explorer 8 wird verhindert, dass die Browser-History vom Browser gespeichert wird. Mit Windows 7 lässt sich eine InPrivate-Sitzung direkt aus der Sprunglisten starten.

• Windows Touch: Der Release Candidate beinhaltet mehrere Windows Touch-Updates. So wird nun die Fähigkeit geboten, Elemente durch Berührung zu ziehen, zu verschieben und auszuwählen. Das ist auch auf Websites möglich, die in horizontale und vertikale Richtung gescrollt werden können.

Besonders für Unternehmen von Interesse:

• Windows XP-Mode: Über den Windows XP-Modus können Windows 7-Benutzer in KMU Windows XP-Produktivitätsanwendungen direkt über den Windows 7 Desktop ausführen. Das erfolgt mit Hilfe von Windows Virtual PC. Der Windows XP-Mode ist für Windows 7 Professional- und Windows 7 Ultimate-Kunden als Download oder auf neuen PCs vorinstalliert verfügbar.

• DirectAccess erlaubt Administratoren mobilen Nutzern einen sicheren Internetzugang zu den Netzwerkressourcen des Unternehmens ohne eine VPN-Verbindung einrichten zu müssen. So lassen sich Servicearbeiten und Updates auf entfernten PCs durchführen, auch wenn die Benutzer unterwegs sind. DirectAccess funktioniert allerdings nur im Zusammenspiel von Windows 7 mit Windows Server 2008 R2.

• BitLocker und BitLocker to Go Laufwerkverschlüsselung: Diese Funktionen sollen sicherstellen, dass sensible Daten auf allen PCs und wechselbaren Speichergeräten geschützt werden.

Systemanforderungen

Microsoft verspricht, dass Windows 7 auf einer breiten Palette an Computern laufen wird. Die Szenarien reichen vom leistungsschwachen Netbook bis zum Gaming-PC. Mit dem RC1 stehen jetzt die endgültigen Systemanforderungen fest:

• Prozessor: 1GHz oder schneller, 32-Bit (x86) oder 64-Bit (x64)

• Arbeitsspeicher: 1 GB RAM (32-Bit) / 2 GB RAM (64-Bit)

• Festplattenspeicherplatz: 16 GB (32-Bit) / 20 GB (64-Bit)

• Darstellung: DirectX 9 kompatibles Grafikgerät mit WDDM 1.0 oder höher

Genügsam

Damit setzt Windows 7 zumindest nicht mehr an Leistung voraus, als es Windows Vista 2006/2007 bereits tat. Für den Test musste ein vier Jahre alter Rechner mit AMD Athlon-Einkern-Prozessor mit 2,2 GHz Taktrate, 1 GB DDR2-Arbeitsspeicher und Nvidia Geforce 6800 GT-Grafikkarte mit 256 MB Speicher herhalten.

Der Installationsprozess von Windows 7 wurde abermals verkürzt und ging in rund einer halben Stunde zügig voran. Von der Auswahl der Installationspartition bis zum Erststart erfolgte nur eine einzige Unterbrechung zur Einstellung der Sprache und dergleichen. Im Leerlauf braucht der RC1 rund 440 MB-Arbeitsspeicher. Die Prozessorauslastung bleibt konstant niedrig.

Nicht schneller, aber flüssiger

Bei der gegebenen Konfiguration macht der RC1 einen sehr kompletten Eindruck. Das System läuft samt aller Effekte noch mal eine Spur runder als die Beta und gibt sich reaktionsschneller als Vista. Der Grund dafür liegt in der Art und Weise, wie Windows 7 Zugriffe von Anwendungen auf das Grafic Device Interface, eine Programmschnittstelle zur Grafikkarte, verwaltet. Hier kommt es, grob umrissen, nun seltener zum Flaschenhalseffekt, wenn mehrere Applikationen in Betrieb sind.

Wie berichtet, ist Windows 7 zwar bei Programmen nur selten tatsächlich schneller als seine beiden jüngsten Vorgänger, für den Nutzer macht sich die schnellere Reaktionszeit aber selbst bei Kleinigkeiten wie der Designänderung angenehm bemerkbar.

Optisch und haptisch

Dem RC1 dürften die Designer bereits den finalen Schliff verliehen haben. Die Benutzeroberfläche ist aufgeräumt, die neuen Features, wie die Jumplists, der Peekmodus und die angepasste Taskleiste verfeinert. Die Suche reagiert wie schon bei der Beta schnell und kann als Revolution gegenüber XP gesehen werden. Eine ähnlich rasche Suche gabs bisher nur unter Mac OS X.

Besonders die Jumplists könnten sich im Alltag zur fixen Abkürzung der Arbeitsabläufe etablieren. Jeder Programmverknüpfung im Startmenü oder in der Taskleiste können von Herstellerseite Kurzbefehle zugeordnet werden. Die Jumplist des Internet Explorer 8 (IE8) zeigt bei Windows 7 RC1 schon, was möglich ist. So kann etwa noch vor dem Programmstart direkt ein Fenster im inPrivate-Modus aufgerufen werden. Neben der gesteigerten Funktionalität erlaubt die Taskleiste sinnvolle optische Hilfestellungen. Ein Beispiel dafür ist das Icon des IE8. Lädt man gerade etwas herunter, wandelt es sich automatisch zur Statusleiste. (Weitere Features lesen sie im Test zur Windows 7 Beta nach.)

Ebenfalls sehr praktisch ist die neue Laufwerksverschlüsselung über BitLocker. Insbesondere erfreulich ist die unkomplizierte Sicherung von USB-Sticks und anderen Wechseldatenträgern. Speziell für Unternehmen die keine Verschlüsselung einsetzen oder auf Drittherstellerprodukte wie TrueCrypt setzen, wird BitLocker interessant sein. Zumal verschlüsselte Datenträger mit dem passenden Schlüssel auch mit älteren Windows-Systemen gelesen werden können.

Kompatibilität

Microsoft verspricht, dass unter Windows 7 alle Programme laufen werden, die bereits unter Vista funktionierten. Aber auch Windows XP-Nutzer können aufatmen. Selbst ältere Programme, Peripherie und Spiele funktionieren großteils noch auf Windows 7, obgleich hier und da etwas nachgeholfen werden muss.

Im Test machten nach der Windows 7-Installation der WLAN-USB-Dongle, die Soundkarte und eine Energiesparfunktion des Mainboards Probleme. Hier zeigten sich die dezenten Warnhinweise des Action Centers, das Device Center samt Fehlerbehebung und die Automatischen Updates als nützlich.

Der WLAN-Adapter wurde erkannt als der Vista-Treiber von der Treiber-CD des Gerätes installiert wurde. Die Einrichtung des WLANs ging umso schneller vonstatten. Zur Eingabe des Netzwerkschlüssels springt ein passendes Dialogfeld auf. Der fehlende Treiber für die Soundkarte wurde über die automatischen Updates nachgeladen. Die fehlenden Mainboard-Treiber fand das Action Center, das auf den passenden Download-Link verwies.

Windows XP Mode

Wer ganz sichergehen möchte, ob seine alten XP-Anwendungen und Gerätetreiber unter Windows 7 laufen, muss sich den Windows XP-Modus herunterladen. Mithilfe dessen wird die XP-Arbeitsumgebung einfach virtualisiert. Microsoft hat bereits eine Testversion für Technet- bzw. MSDN-Mitglieder zum Download bereitgestellt.

Der Windows XP-Modus wird wie jede andere Applikation gestartet und funktioniert denkbar einfach. Die Virtualisierung läuft „unbemerkt“ im Hintergrund ab, zwischen verschiedenen Desktops muss nicht gewechselt werden. Es gibt jedoch ein paar Haken: So wird der Virtualisierungsmodus nur für Käufer der Enterprise oder Ultimate Edition bereitstehen und er schraubt die Systemanforderungen nochmals in die Höhe. Microsoft setzt mindestens einen Arbeitsspeicher von 2 GB voraus und der Prozessor muss Virtualisierung unterstützen. Sowohl Intel als auch AMD bieten spezielle Prozessoren dafür an, gerade bei Consumer-Produkten ist die Virtualisierungsunterstützung aber keine Selbstverständlichkeit. (Mehr dazu)

Software

Gebräuchliche Anwendungen vom Schlage eines Mozilla Firefox’, VLC Medienplayers oder dem in die Jahre gekommenen Office XP machten keinerlei Schwierigkeiten. Für Privatanwender dürfte Windows 7 eine relativ unkomplizierte Migration erlauben. Etwas umständlicher wurde es im Test lediglich beim Spiel Anno 1701. Das Windows 7 Action Center blockierte nach der reibungslosen Installation den Treiber des Kopierschutzes, mit der Begründung, der Treiber würde für Instabilität sorgen. Immerhin schlug die automatische Fehlerbereinigung dann den treffenden Download-Link für das Treiber-Update vor. Damit klappte es schließlich auch, in einer zweistündigen Spielsession kam es zu keiner Leistungsbeeinträchtigung.

Medien-Streaming

Neu zum RC1 hinzugekommen ist das Windows Media Player-Feature „Remote Media Streaming“ (RMS). Damit können Medieninhalte nun über eine gesicherte Internetverbindung an andere PCs mit Internetanschluss gestreamt werden. In der Theorie lassen sich die Fotos, Musik und Videos auf dem Heim-Computer von überall aus abrufen. Über den neuen Windows Media Player 12 lässt sich einstellen, welche Medien und Geräte, wie TV-Karte und MP3-Player, ferngesteuert werden können. So ist auch das Fernsehen über eine Internetverbindung zum Heim-PC möglich.

In der Praxis erweist sich RMS als gut integrierte Funktion, die recht unkompliziert zu benutzen ist. Weniger Freude macht die Zwangsregistrierung einer Windows Live ID. Zwar schützt die ID davor, dass Fremde die Inhalte streamen, das würde aber auch ohne Anmeldung bei Microsoft funktionieren. Ebenfalls schade ist, dass beim mobilen Empfang nur Windows Mobile-Handys erlaubt sind.

Wunder darf man sich vom Daten-Streaming wie schon bei etablierten Diensten, seien es Orb oder Sling, nicht erwarten. Wer eine Internetverbindung mit schmalen Upload von weit unter 1 Mbit sein eigen nennt, darf sich keine scharfen Bilder erwarten.

Wettbewerbsfreundlicher

Ein weiteres Versprechen hat Microsoft mit Windows 7 RC1 jetzt schon eingelöst: Wer statt den Windows-Standard-Komponenten Programme und Dienste von Drittherstellern nutzen möchte, dem kommt das neue Betriebssystem deutlich mehr entgegen, als seine Vorgänger. So fragt Windows beim Erststart des Internet Explorers 8 nach, ob man einen anderen Browser einsetzen möchte und welche Dienste man etwa für die Online-Suche und Webmail verwenden will.

Runde Sache

Wie nah der RC1 schon am finalen Windows 7 ist, zeigt der reibungslose Einsatz im Alltag. Zwar müssen bei Anwendungen, die zu Zeiten eines Windows XPs geschrieben wurden noch das eine oder andere Schräubchen nachgezogen werden, die Stabilität überzeugt aber jetzt schon. Wie in der Beta treten die Sicherheitsmaßnahmen, wie das Action Center, nur noch dezent in Erscheinung und erzeugen keine Panik mehr beim Anwender. Nützlich sind die zahlreichen Hilfestellungen zur Problemlösung. Automatisch konnte im Test zwar nicht alles gelöst werden, die Anweisungen werden aber so ausgedrückt, dass auch unbedarfte Anwender fehlende Treiber nachinstallieren können.

Der Funktionsumfang von Windows 7 glänzt einerseits durch Features wie Remote Media Streaming und den XP-Mode, andererseits wurde zum Vorteil konsequent ausgemistet. Das Design ist nutzerfreundlicher als jenes von Vista und XP und weist sinnvolle Abänderungen der Taskleiste und des Startmenüs auf – insbesondere die Jumplists und die Suchdarstellung.

Performance mit Fragezeichen

Den einzigen Vorwurf den man Microsoft aus jetziger Sicht machen kann, ist, kein klar schnelleres Betriebssystem auf die Beine gestellt zu haben. Wie sehr Softwarehersteller allerdings von der verbesserten Unterstützung von Mehrkernprozessoren profitieren werden, muss sich noch zeigen.

Der ganz große Wurf mit reinem 64-Bit und neuem Dateisystem ist Windows 7 leider nicht geworden. Aber zumindest die Anwendung – auch dank verbesserter Reaktionsfreudigkeit – machte bei Windows schon lange nicht mehr so viel Freude.  (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 3.5.2009)