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„Yes, we can": Amerikanischer Traum - und amerikanische Wirklichkeit sind nicht immer deckungsgleich. Aber die USA definieren sich im Gegensatz zu anderen Nationen nicht über ihre Vergangenheit, sondern immer über den Blick in die Zukunft.

AP Photo/Mel Evans

Washington D.C. - Marmor und Memory: Der weiße Marmor des Lincoln Memorials leuchtet grell in der Sonne. Ein paar Dutzend amerikanische Fahnen, Stars and Stripes, wehen straff im Wind und versprühen patriotische Pigmente - red, white and blue. Ganz so, als hätte ein Angestellter der Stadt, laut Visitenkarte zuständig für die Special Effects, die Halogenscheinwerfer und Windmaschinen angeworfen, damit die National Mall, diese lange Reihe von Gedenkstätten, auch eine angemessene Wucht und Erhabenheit erhält. Die Memory-Monumente aus Marmor, welche die USA für große Präsidenten wie Lincoln, Jefferson oder Roosevelt bauen ließen, sehen aus wie Tempel der Demokratie. Die Verfassung, die Paragrafen und Klauseln, Worte und (unveräußerbare) Werte, nehmen hier eine konkrete Form an und sollen unter den Kuppeln und Säulengängen für die Staatsbürger erfahrbar werden. Ein paar Dutzend Besucher stehen unter der Kuppel des Jefferson Memorials, machen Fotos und lesen die Buchstaben aus Stahl, mit denen die Unabhängigkeitserklärung an die Wand gedruckt wurde, lesen die Worte „life, liberty, and the pursuit of happiness".

Nur wer genau hinschaut, sieht die kleinen Fehler in der patriotischen Inszenierung, den Müll auf dem Boden, die Algen auf dem nahen See, die Löcher und Kratzer auf dem edlen Stein. Und irgendwie hat man den Eindruck, dass die Besucher der National Mall achtlos und ein wenig distanziert durch die republikanischen Tempel schreiten, ganz so, als würden sie die Akropolis in Athen besuchen, das Kolosseum in Rom, oder die Ruine einer anderen untergegangenen Hochkultur, als hätten die eisernen Buchstaben nichts mehr mit ihrem Leben zu tun. Die Digitalkameras blitzen, ein Baby schreit, in der Kuppel des Memorials fängt sich der Sound der nahen Autobahn.

Untergegangene Hochkultur

Der Besuch der National Mall ist fester Bestandteil des Bildungsprogramms der öffentlichen Schulen, eine Lektion in der Größe und der besonderen Mission des Landes. Aber können sich die Amerikaner noch mit den Worten der poetischen Präsidenten wie Thomas Jefferson oder Abraham Lincoln identifizieren? Haben sie noch das Gefühl, in einem Land zu leben, in dem, wie der Dramatiker Moss Hart schrieb, „auch die Namenlosen die Chance besitzen, die Mauern zu erklimmen und das zu erreichen, was sie wollen. Reichtum, Rang oder ein beeindruckender Name sind nichts wert. Das Einzige, was gefragt ist: die Größe des Traums."

Vor genau 110 Tagen stand US-Präsident Barack Obama am Lincoln Memorial, stand zwischen den weißen Säulen und Fahnenmasten und sprach nach seinem Amtseid wie so viele seiner Vorgänger vom amerikanischen Traum. Aber die Geschichte, die Barack Obama erzählte, klang anders als gewohnt. Er sprach von einem „Vertrauenstief" und „der quälenden Angst, dass der Abstieg Amerikas unaufhaltsam ist und dass die nächste Generation ihre Ziele in Zukunft niedriger stecken muss". Das Land des Fortschritts muss lernen, einen Rückschritt zu verkraften. Jeden Monat verlieren mehrere hunderttausend Amerikaner ihren Job, ihr Haus und ein Stück ihrer Identität.

Laut einer aktuellen Umfrage des Lake Research Centers sind 74 Prozent der Amerikaner der Meinung, dass es schwieriger wird, den amerikanischen Traum zu erreichen (im September 2007 waren es noch 68 Prozent). Die Finanzkrise ist also auch eine Krise des American Dream. Und wer durch das weite Land fährt, trifft viele Menschen, die so aussehen, als würden sie in der Nacht sehr unruhig schlafen.

Flug UA 8033 - Go West:

Die Phrase „The American Dream", das ist eine Überraschung, taucht nicht in den Schriften von Benjamin Franklin oder Thomas Jefferson auf und steht auch nicht auf dem Felsensockel der Freiheitsstatue. Der amerikanische Historiker James Trudlow Adams schreibt in seinem Buch The Epic of America erstmals vom „amerikanischen Traum von einem besseren, reichhaltigeren und glücklicheren Leben für alle Bürger, gleich welchen Ranges", das war 1931, mitten in der Großen Depression - das Mem der unbegrenzten Möglichkeiten ist freilich viel älter.

Laut Adams nahm der amerikanische Traum bereits in den ersten Stunden der Besiedlung des neuen Kontinents Form an. Die Puritaner bildeten eine Völkerwanderung, die, einzigartig in der Geschichte, nicht als Invasion oder Fluchtbewegung strukturiert war, sondern „in der der einfache Mann genau wie der Anführer darauf hoffte, größere Freiheit und Glück für sich und seine Kinder zu finden". Amerika, so Adams, war wirklich eine neue Welt, in der keine alten Stände, Kasten oder Traditionen den Menschen einschränkten und ihm so eine große persönliche Freiheit und die Möglichkeiten zur Selbstentfaltung geben konnten. Das Land als Leinwand, auf der sich jeder selbst skizzieren kann.

Dass Herkunft und Bildung natürlich auch in den USA als determinierende Faktoren wirksam werden, weiß und sieht jeder, der mal in die Bronx oder South Central geraten ist, und der seinen Bourdieu gelesen hat. Der American Dream verlegt das christliche Heilsversprechen in das Diesseits, produziert so jedoch keine Demut, sondern „dieses erfrischende Gefühl für die Möglichkeiten, die das große Geschenk des Amerikanischen sind". (Vanity Fair).

Im Flugzeug von der Ostküste nach Los Angeles vollzieht man die Besiedlung des amerikanischen Kontinents in sechseinhalb Stunden nach. Auf dem Info-Bildschirm und vor dem Fenster sieht man Ohio, Missouri, Oklahoma, Colorado, eine braun-grüne Landmasse, die man in den ökonomischen Zentren an den Küsten nur „Flyover Country" nennt. Die Boeing 777 überfliegt nun mit 850 Stundenkilometern die Stadt St. Louis, das Tor zum Westen, und hier war es auch, wo vor mehr als 200 Jahren eine neue Phase des amerikanischen Projekts eingeläutet wurde. Meriwether Lewis und William Clark machten sich im Mai 1804 von dort aus in ihrer berühmten Expedition auf den Weg in Richtung Pazifik - und kehrten erst zwei Jahre später zurück.

Und während man ihrer Route folgt und dem lichten Horizont entgegenfliegt, bekommt man für einen Moment eine Ahnung der kollektiven Euphorie (und des gewalttätigen Deliriums), welche diesen Prozess der sukzessiven Landnahme begleitete. „Und seine Gedanken waren immer im Wald, dessen Form seine Tag- und Nachtträume belebten, und ihn mit einem diffusen Verlangen erfüllten, das nie zu befriedigen war", so beschrieb der Historiker Francis Parkman das Bewusstsein der Pioniere, die den Begriff des Westens im Laufe des 19. Jahrhunderts immer neu definierten, die Great Plains, die Rocky Mountains und, endlich, California Dreaming.

The American Dream ist eine globale Marke, ist Apple, McDonalds und Coca-Cola zugleich, und stellt die Unique Selling Proposition dar, mit der Amerika jedes Jahr Millionen von Menschen in die immer noch neue Welt lockt - die Armutsflüchtlinge aus der südlichen Hemisphäre wie die Elite aus Wirtschaft und Forschung. Der Gedanke, dass alles möglich ist, wenn man es nur genug will, ist natürlich ein Klischee - aber eines, das im amerikanischen Alltag immer noch höchst wirksam ist und fester Teil des Grundbewusstsein der meisten Menschen ist. In den uramerikanischen Slogans: „I do it my way", „Just do it" oder auch, neuerdings, „Yes we can".

Nur die Vereinigten Staaten haben einen nationalen Traum. Oder kennt jemand einen schwedischen Traum oder einen polnischen? In den europäischen Nationalstaaten bezieht man sich auf die Historie, alte Schlachten, Führer und Fehler. Die USA definieren sich nicht über ihre Vergangenheit, sondern aus der Zukunft heraus. „The American ist subtly more attached to the glorious future than to the temporary and unsatisfactory present", schreibt der Publizist David Brooks. „Paradise Spell" nennt er diese hochenergetische Bewusstseinstrübung, „the tendency to see the present from the vantage point of the future". Der scheinbare endlose Raum, die Sehnsucht nach der Grenze, dem Paradies hinter dem Horizont, wirkten prägend auf den kollektiven Charakter. (Wenn man die Dinge im Osten versaut hatte, konnte man immer weiterziehen.) Amerika sucht sich immer neue Räume - Hollywood, Suburbia, das Internet - die quasi fiktive Sphäre des globalen Finanzmarkts war nur die jüngste Frontier.

Beverly Hills / Desert Hot Springs:

„The Grove" ist eine Luxusshoppingmeile in Los Angeles. Die Läden heißen hier „American Girl" und „21 Century". Auf einer Wand klebt ein Plakat von American Idol (vgl. Starmania), und aus dem Lautsprecher singt eine Stimme ganz ironiefrei „I Love America". Die Einkaufsstraßen in Los Angeles haben Namen wie „Miracle Mile", „Century City" oder eben „The Grove", ein altes Filmstudio, gleich neben dem Gelände von Paramount, das in eine Simulation einer europäischen Innenstadt aus den 1920er-Jahren verwandelt wurde, Bleiglas, Stuck, eine ferngesteuerte Straßenbahn, es ist ein Klassizismus zweiten Grades, _Belle Epoque reloaded. Auf dem Dach des Gebäudes steht ein Sendemast und leuchtet in die Nacht hinein. Es ist Freitagabend, „The Grove" ist trotz Krise gut gefüllt, und Amerika liegt offen vor dem Besucher wie ein Bilderbuch.

Der American Dream, live und in Farbe, und man setzt sich gerne kurz in ein Straßencafé und sieht ein bisschen zu. Ein paar Mädchen grillen Marshmallows über einer Gasflamme und kichern in ihr iPhone, die Fettglasur des Hähnchens sieht aus, als sei sie in Photoshop erstellt worden, das Aroma des Cabernet Sauvignon aus dem Napa Valley (Beeren, Tabak) fährt in die Nase wie eine Line Speed.

Überbelichtetes Überangebot

Die Überbelichtung des Überangebots, die man an Orten wie „The Grove" findet, stehen in starkem Kontrast zu der Bilderserie Four Freedoms von Norman Rockwell, die in den Fluren des Flughafens LAX hängt. Rockwell hatte in den berühmten Drucken die State-of- the-Union-Rede von FDR aus dem Jahr 1941 illustriert: „Freedom of Speech", „Freedom of every person to worship God in his own way", „Freedom from Want" und „Freedom from Fear". Und auch wenn die Bilder später zu Propagandazwecken verwendet wurden, so zeigt sich hier doch _auch der American Dream der Ära des New Deals; aus dem Egotrip in Richtung Westen war ein Rechtsanspruch für alle Bürger geworden. Krankenversicherung und Rente.

Freedom from Want, Rockwells berühmtestes Gemälde, zeigt eine amerikanische Kernfamilie beim Thanksgiving-Dinner, ein Truthahn steht auf einem gedeckten Tisch, und das Bild mag manche Zeitgenossen wegen der biederen Motivik abschrecken, beeindruckt gleichzeitig aber auch durch Bescheidenheit des dargestellten Ideals. Der Thanksgiving-Tisch wurde mit den Jahren immer voller. Kerzen, Weinflaschen, Blumen, Porzellan, exotische Gewürze ... Während des wirtschaftlichen Booms der Nachkriegszeit und dem Entstehen der Konsumkultur wurde „das bessere, vollere Leben", von dem Adams geschrieben hatte, in konkrete und materielle Ziele übersetzt: mein Haus, mein Auto, mein Fernseher.

Der amerikanische Traum wurde zu einem Werbespot. „Plötzlich schien die gesamte Mittelklasse eine Wette darauf abzuschließen, dass das Morgen besser sein werde als das Heute", schrieb der Finanzexperte Joe Nocera in seinem Buch A Piece of the Action: How the Middle Class Joined the Rich. In den 1980er-Jahren begann eine Wachstums- und Konsumspirale, bigger, better, more, die Eintrittskarte zum Paradies hatte die Form einer Kreditkarte.

Es ist kein Zufall, dass die ökonomischen Bubbles immer in den USA entstehen. Amerika ist das Land von Hollywood, Las Vegas, Profi-Wrestling und Computerspielen, es ist das Land der Träumer, und Fantasie ist der wichtigste Rohstoff der amerikanischen Wirtschaft - noch vor fossilen Brennstoffen. Der Besuch in jedem Supermarkt bestätigt das: endlose Regale von bunten Kartons, vier Dutzend Cornflakes-Sorten, Äpfel, die glitzern wie edle Rubine, Faltencremes, innovative Fitnessgeräte, die den perfekten Bauch versprechen - „ohne Anstrengung", alles, jetzt, for sale. Ralph Waldo Emerson hat mal geschrieben, dass die, die sich über die Oberflächlichkeit Amerikas beklagen, keinen Sinn für dessen Schicksal haben. Sie sind keine Amerikaner. - Besucher und Ausländer würden eben nicht „sehen, dass der Mensch hier im Garten Eden wandelt; hier, die Genesis und der Exodus".

Der bekennende Nichtamerikaner und Poststrukturalist Jean Baudrillard hatte bei einer Reise durch Amerika ganz ähnliche Gedanken: „Mit einer an Unerträglichkeit grenzenden Naivität hat sich diese Gesellschaft auf die Idee versteift, die Verwirklichung all dessen zu sein, wovon andere immer geträumt haben: Reichtum, Freiheit, Gerechtigkeit ... sie weiß es, sie glaubt es, und am Ende glauben es alle anderen auch. (...) Das Paradies. Santa Barbara ist das Paradies, Disneyland ist ein Paradies, die USA sind ein Paradies. Das Paradies ist, was es ist, düster zu Zeiten, monoton und oberflächlich. Aber es bleibt das Paradies. Es gibt kein anderes."

Die Interstate 10 führt von Los Angeles in einer geraden Linie in Richtung Osten, und es scheint, als würde mit jeder zurückgelegten Meile auf dem Tachometer auch ein bisschen Farbe aus der Landschaft weichen, als sei die Windschutzscheibe nur ein defekter Bildschirm. Die hyperreale Neonlandschaft von Hollywood - die blauen Pools, grüne Palmen und orange-violetter Autolack - weicht einer gelblich-staubigen Halbwüste. In Desert Hot Springs beträgt die Temperatur im Sommer mehr als 50 Grad, die Luftfeuchtigkeit ist gleich null. Trotzdem ist die Einwohnerzahl der Wüstengemeinde in den 90er-Jahren sprunghaft gestiegen. Immer mehr Menschen zogen aus der Stadt hinaus in die Ebene, in der Felsen herumliegen wie altes vertrocknetes Holz. Während des Immobilienbooms entstanden in der Wüste immer neue Siedlungen, in denen ein Haus nur 100.000 Dollar kostete, und die Fantasienamen wie „Silverlake" oder „Eaglecreek" tragen.

Aus der Luft sehen diese Orte aus wie geometrische Figuren, Kreise und Spiralen, als hätte ein Kind verträumt mit dem Finger im Sand herumgezeichnet. „Live the American Dream", steht auf einem großen Schild, das langsam in der Sonne ausbleicht. Nur Klimaanlagen, Kunstrasen und Kredite ermöglichten diese Billigversion des American Dream in der Wüste. Die Gipswände und Plastikzäune der Fertighäuser betonten auch in besseren Zeiten die Kulissenhaftigkeit und den temporären, unwirklichen Charakter der Szenerie. Jetzt, da immer mehr Häuser gepfändet werden, werden die Wüstenstädte bald zu Geisterstädten werden, eine Fata Morgana, die für kurze Zeit in der heißen Wüstenluft schimmerte und glänzte.

New York - City of Dreams:

An der Kreuzung von Broadway und Houston Street wird auch in der Wirtschaftskrise noch gebaut. Auf den klapprigen Sperrholzwänden, welche die Baustelle umgeben, kleben zwei Dutzend Fotos des Immobilientycoons Donald Trump, der für sein neues Buch Think like a Champion wirbt. Trump hat in den letzten Jahren ein Dutzend Bücher mit Titeln wie Think Big oder Never give up geschrieben und wurde so, wie auch die fiktionale Figur Gordon Gecko (Gier ist gut!), zu einem Rollenmodell des frühen 21. Jahrhunderts.

Im New York des Jahres 2009 aber gehen die Menschen achtlos an den Bildern von Donald Trump vorbei, ganz so, als sei er eine Figur aus einer anderen Ära, aus einer Zeit, in der man unter dem American Dream schlicht extremen Erfolg verstanden hat, das Leben der Supermodels, Superathleten, Superstars. Der Rapper 50 Cent brachte das Leben in Amerika auf die binäre Logik: „Get rich or die trying". Das Magazin Vanity Fair schrieb kürzlich: „Die Vitalität des amerikanischen Traums steht nicht infrage. Wir müssen jedoch unsere Erwartungshaltung verändern - sowie unser Verständnis dessen, was der diffuse und allzu oft verwendete Begriff American Dream eigentlich bedeutet."

Barack Obama bezeichnete sich im Wahlkampf gerne selbst als bestes Beispiel für den American Dream, „eine Karriere wie die meine", könne es nur in den USA geben. Er hat damit wohl recht. Und zwar nicht unbedingt, weil er, das Kind einer alleinerziehenden Mutter, nun Staatschef und millionenschwerer Bestsellerautor ist, sondern auch, weil Obama, der Ausnahmestudent, der erste afroamerikanische Präsident der Harvard Law Review, nach der Universität den lukrativen Karrierepfad bei Investmentbanken und Anwaltskanzleien ignorierte, um lieber in den Ghettos von Chicago als Community-Organizer zu arbeiten.

Obama wählte das Prinzip Selbstverwirklichung über jenes der Selbstbereicherung, und vielleicht gelingt es ihm deshalb, ein Update für den amerikanischen Traum zu finden. Obama ist ein Selfmade Man, nicht wegen seines dicken Bankkontos, sondern weil er immer getan hat, was er für richtig hielt, und sich dabei selbst entworfen hat. Sein berühmter Ruf „Yes, we can" ist, weil er das Wir über das Ich stellt, ein Gegenmodell zu dem „I want it all, I want it now" der 1980er-Jahre. Vielleicht ist Obama der richtige Mann, um die Energie, das Selbstbewusstsein und die Tatkraft, die unzweifelhaft zum amerikanischen Wesen gehören, in eine neue Richtung zu lenken, die dem öffentlichen Wohl verpflichtet ist.

Der American Dream wurde durch die Milliarden-Boni der Hedgefonds-Manager und den Subprime-Skandal diskreditiert, aber noch immer fällt den meisten Amerikanern dazu vor allem ein einzelnes, einfaches Wort ein: Freiheit. Ein Filmemacher in New York spielt dem Besucher, statt eine Frage zu beantworten, einen Track des legendären Rap-Ensembles A Tribe Called Quest vor: „This feeling of embarassment. This shyness, this bashfulness. If you take that out of the people then these people will do what ever they want to do, and that is the very definition of America. A people who have no shame and therefore they do whatever they want to do." Der Mann stellt den Plattenspieler ab, sagt: „Ich mag es, weil es ehrlich ist." Vor dem Fenster spiegeln sich die Lichter von New Jersey, dem West Side Highway und Staten Island auf dem Hudson River. Die Flamme der Freiheitsstatue ist nur ein Licht unter vielen. (Tobias Moorstedt, Album, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3. Mai 2009)