Die kreative Buchhaltung im Rathaus von Oberwart gibt einige schwere Rätsel auf und stellt Bürgermeister Gerhard Pongracz  vor sehr, sehr große Herausforderungen.

Foto: Horvath/SPÖ

Oberwart - Erst die zu Bruch gegangenen spekulativen Anlageversuche risikofreudiger Bürgermeister; dann das offene Messer eines zu großzügig dimensionierten Seniorenheimes, in das die kleine Gemeinde Strem gelaufen ist; und jetzt das: Wenn Oberwart Pech hat, stehen der zweitgrößten Stadt des Burgenlandes finanziell äußerst magere Jahre bevor.

Was da in den vergangenen elf Jahren abgelaufen ist in der bis 2002 schwarzen, jetzt roten Gemeinde, durchschaut im Moment noch niemand so richtig. Klar scheint, dass der am 7. April bei einem Autounfall ums Leben gekommene "Amtmann" - der oberste Beamte und Chefbuchhalter - über Jahre hinweg kommunale Gebühren- und Steuerbescheide in der Höhe von sieben Millionen Euro nicht ausgesandt hat. Darüber hinaus fanden Prüfer der Eisenstädter Gemeindeaufsicht unbezahlte Rechnungen von 1,5 Millionen. Und schließlich wurden auf bislang unbekannten Kreditkonten bei der Bawag, der Bank Austria und der Bank Burgenland Gemeindekredite in der Höhe von fünf Millionen Euro entdeckt, von denen, versichert Bürgermeister Gerhard Pongracz - der ein Jahresbudget von rund 16 Millionen verwaltet -, kein Mensch etwas gewusst habe.

Schadensbemessung

Wie viel Schaden entstanden ist, kann noch niemand sagen. Man hofft, dass die Kredite wenigstens zur Abdeckung der nicht erfolgten Einnahmen verwendet wurden, die freilich zu einem guten Teil abgeschrieben werden müssen. Gebühren verjähren nach drei, die Grundsteuer nach fünf Jahren. Die Malversation, so wird vermutet, erstreckt sich aber über einen Zeitraum von elf Jahren. Seit 1998 wurde Oberwart nicht von der Gemeindeaufsicht, die dem VP-Landeshauptmannvize Franz Steindl untersteht, geprüft.

Gerhard Pongracz, selbst klarerweise schwer unter Beschuss, will den Umstand der mangelnden Aufsicht zum Anlass nehmen, auf Franz Steindl zu zielen: "Hohe Beamte sagen mir, man müsste alle drei Jahre prüfen. Ich wurde kein einziges Mal geprüft."

Gute Arbeit

Franz Steindl dagegen nimmt diese Aussage zum Anlass, seine Abteilung hoch zu loben: "Der Fall Oberwart ist das beste Beispiel für das Funktionieren der Gemeindeaufsicht. Erst durch uns ist die Geschichte ja aufgeflogen." Außerdem werde jede Gemeinde ohnehin "zweimal im Jahr geprüft", nämlich der Voranschlag und der Rechnungsabschluss. Als der Rechnungsabschluss 2007, der eigentlich im April 2008 hätte vorliegen müssen, nicht kam, wurden die Prüfer hellhörig. Einige Male gelang es dem Amtmann, eine Vor-Ortsprüfung hinauszuzögern.

Erst am heurigen 27. März traf der Rechnungsabschluss in Eisenstadt ein und nährte den Verdacht erst recht. Es wurde ein Prüftermin für den 7. April beschlossen. Der Anruf des Amtmanns, das sei nicht möglich, weil er im Krankenstand sei, wurde nicht mehr akzeptiert. Um 8.40 Uhr begann die Prüfung. Zehn Minuten zuvor krachte der Amtmann auf einer Umfahrungsstraße von Oberwart frontal gegen einen entgegenkommenden Lkw.

"Wir wurden hinters Licht geführt"

Gerhard Pongracz möchte, sagt er, den "verstorbenen Beamten" aus der bevorstehenden Auseinandersetzung heraushalten. Aber ganz gelingt ihm das selbst nicht. Auf die Frage des STANDARD, wie es möglich sei, dass niemand - Bürgermeister, Gemeinderat, Rechnungsprüfer - etwas bemerkte, meint er: "Wir wurden alle hinters Licht geführt." Eigentlich habe das Vier-Augen-Prinzip gegolten. Bereicherungsabsicht stand offenbar nicht hinter der Malversation, der Bürgermeister vermutet "Überforderung". Pongracz hat jedenfalls Anzeige erstattet.

Franz Steindl will Pongracz seine Blauäugigkeit nicht ganz glauben. "Ich war selber Bürgermeister. Jede Transaktion ist da über mich gelaufen." (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD - Printausgabe, 29.4.2009)