Keltendämmerung, mystische Union mit dem Land, Projektionen der Touristen, die jährlich einfallen, obwohl die meisten Iren immer nur eines wollten: möglichst schnell aus dem Land heraus. Irland, das wichtigste Exportgut des eigenen Landes, schafft es, seinen Klischees selbst permanent Nahrung zu liefern. "Das Land ist auf dem Wege, ein einziger riesiger Themenpark, so etwas wie ein keltisches Disneyland zu werden", weiß der nicht parteiische britische Kulturtheoretiker Terry Eagleton in seinem witzigen Irland-Wörterbuch "Die Wahrheit über die Iren".

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Killarney, einen der wohl touristischsten Orte mit jeder Menge Klischeeproduktion (und nur deshalb interessant, weil man von dort zu den wunderbaren und viel bereisten Lakes of Killarney gelangt), rät Eagleton per Hubschrauberflug zu umgehen.

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Und dann dieses Gälische, das niemals zu lernen ist. Wenn man länger im Land bleibt, dann schnappt man ja zwo, dro Wörter auf, etwa Aer Lingus. Eine seltsame Nation, die "New Year's Eve" als "Old Year's Night" feiert und von der Freud gesagt hat, dass es das einzige Volk sei, das sich nicht psychiatrieren ließe. Letzteres wahrscheinlich wegen der vielen Heiligen, die den Psychiatern die Arbeit wegnehmen - sogar für die Wiederfindung verlorener Handtaschen steht ein Heiliger gerade. Kil am Beginn einer Ortsbezeichnung bedeutet nicht eine der Todsünden, sondern schlichtweg Kirche.

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Und diese Natur! Einen Vorteil schöpft der Reisende zusätzlich aus ihrer Fülle: Auch bei noch so langweiligen Reisegefährten geht der Gesprächsstoff nicht aus. Tagelang könnte man über das Wetter reden, das dankenswerterweise im Viertelstundentakt von leichtem in schweren Regen und wieder in den Sonnenschein übergeht. Manchmal auch gleichzeitig. Der Gratishimmel dazu lässt denselben Ort in anderem Licht komplett anders aussehen, ganz ohne synthetische Helferlein. Darüber kann man sich aus- und untereinander trockene Kleider tauschen. Nicht umsonst finden sich in irischen Erzählungen - aus Zeiten noch, wo das Wort Goretex höchstens eine Zauberformel gewesen wäre - ständig Hinweise auf durchnässte Kleidung und deren fachgerechte Wiederaufbereitung vor dem torfscheitelgespeisten, selbstredend offenen Kamin.

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Die Nässe, gepaart mit Bruder Kälte, wird einem tatsächlich schnurz bei der Wanderung mit einem Guide in der Grafschaft Kerry, nahe der höchsten Gebirgskette Irlands. Zwischen uralten Eichen und Farnen im wassertriefenden Moos stapfend, dampfenden Atems, vermuten Nichteingeborene auf dem nächsten Baum dieses Märchenwaldes einen mistelschneidenden Druiden oder wenigstens eine Fee. Als Bonus-Track gibt's noch einen Wasserfall, den "Torc", dazu. Alleine sollte man die Tour abseits der Pfade nicht unternehmen, manch einer harrt im konservierenden Moor darauf, einer künftigen Wissenschaft als Ötzi zu dienen.

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Das Wetter gab der Herrgott, an den die Iren recht eigenwillig glauben, in einer wenig zähmbaren Art, um die Insel vor noch mehr Touristen zu schützen. Das hielt sie dennoch nicht zurück, in einen Natur- wie Themenpark zu pilgern, der geneigte Besucher trotz zunehmender Dichte von Killer-Bungalows umhaut. Und manchmal hilft ein spezielles Mikroklima oder auch der warme Golfstrom nach, dass es im Südwesten der Insel auch milde Phasen gibt. Schon im 19. Jahrhundert, als die Irland-Romantik-Vorstellungen bei Nicht-iren ihren Ursprung nahmen, legten da dekadente Menschen ihren Park mit sämtlichen, auch tropischen Pflanzen an, wie eben auf der Halbinsel Beara.

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Das Boot bringt meist ebenso dekadente Menschen, die wie kurzbehoste, fettreiche Spitzwegsche Schmetterlingsfänger aussehen, vom Festland (Glengarriff) zur Ilnaculin Island. Die Tourismusbehörde hat zum Gaudium der Überfahrer an hübschen Felsen possierliche Robben postiert. Drüben dann, auf dem Inselchen, konterkariert die liebliche, tropisch anmutende Pflanzenpracht inmitten neoklassizistischer Gartenbauten die Aussicht auf windgepeitschte Bäume und raue Umgebung.

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Die meisten Fremden werden in den typischen Bed&Breakfast-Unterkünften absteigen, denn nur "fugghan rockstars and drugdealers" können sich, wie ein Busfahrer versichert, die noblen Resorts wie das Wasserfall-Hotel bei Kenmare leisten und eventuell einen Rolls Royce zur Ausfahrt ausborgen. Aber der Himmel und alles, was sich daraus ergibt wie ergießt, sind gratis.

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Fanatiker fantastischer Landschaft wie relativ milden Klimas bereisen die Grafschaft Kerry, deren Straßensystem den "Ring of Kerry" bietet, auf Wanderpfaden Hunderte Kilometer lang als "The Kerry Way" abgeh- bar. Streng verboten im gut gebuchten Sommer, empfohlen für die Monate Mai und Juni. Eine Gartenlandschaft mit weißen Schaf-Flecken - schließlich kommt auf jeden der vier Millionen Iren ein Schaf.

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Und überall wuchern Rhododendren. Keine mickrigen Stauden,wie sie im Hausgarten meist vor sich hin vegetieren, nein, ganze Hänge überzieht das lila blühende Ding mit dem komischen Namen, den auch die Scherzkekse Stermann und Grissemann in ihr Absurditätenvokabular gerne aufnahmen. Dabei heißt es im Griechischen schlicht Rosenbaum. Dort ist er zum Leidwesen der Bauern, zum farblichen Entzücken oder zur Frustration festlandeuropäischer Hobbygärtner, fast so etwas wie Unkraut, nein Ungebüsch. Und niemand wird Sie zurechtweisen, wenn Sie so ein gebrauchtes Gebüsch exportieren wollen. Es wäre nicht der erste Irländer, der schnell wegwollte.(Der Standard/rondo/14/03/2003)

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Veranstalter: Blaguss Reisen: www.irland.co.at
Information: Irland Tourismus, Libellenweg 1,
A-1140 Wien, Tel.: 01 / 914 13 51
www.irland-ferien.de
Info zum Wasserfall-Hotel bei Kenmare:
www.sheenfallslodge.ie

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