Foto: Heribert Corn, DER STANDARD

Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) möchte die Einführung von E-Voting bei der ÖH-Wahl beim VfGH bekämpfen.

Foto: Heribert Corn, DER STANDARD

STANDARD: Würden Sie sich selbst als "Ostmärker" bezeichnen?

Graf: Nein.

STANDARD: Der umstrittene Referent bei Ihrer Buchpräsentation am Donnerstag, Walter Marinovic, tut das.

STANDARD: Vielleicht war das auch zynisch oder sarkastisch gemeint? Er war einmal "Ostmärker", das ist richtig. Er ist ja Jahrgang 1929. Mit knapp 16 Jahren ist Marinovic zur Wehrmacht eingezogen worden, wo er dann einige Monate kämpfen hat müssen oder dürfen - je nachdem, wie man das sieht.

STANDARD: Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) sagt, Marinovic hätte "keine Berührungsängste zum deutschen Neonazismus".

Graf: Das stelle ich in Zweifel. Ich habe gerade das Handbuch hier gehabt. 700 Seiten, in denen das DÖW die Leute qualifiziert, die Mitte-rechts stehen. Das ist eine pauschale Verunglimpfung.

STANDARD: Das DÖW sammelt, was diese Leute in Reden und Publikationen von sich geben.

Graf: Sie könnten auch genauso gut auflisten, dass Walter Marinovic und Martin Graf keine Berührungsängste zum Linksextremismus haben. Ich gehe auch zu Linksextremen, wenn sie mich zu einer Diskussion einladen. Alleine durch die Auswahl der Auflistungen wird ein Bild erzeugt, als ob man ein Verhetzer oder Vaterlandsverräter wäre. Das DÖW listet nicht auf, dass Marinovic auch von der SPÖ und ÖVP-Akademien eingeladen wurde und wird.

STANDARD: Fühlen Sie sich verfolgt?

Graf: Ich fühle mich nicht von Demokraten verfolgt, sondern von den Leuten, die eine zweifelhafte demokratische Gesinnung haben.

STANDARD: Wenn Sie dem DÖW nicht glauben: Marinovic war auch bei der Arbeitsgemeinschaft für Politik. Die ist laut Bundesamt für Verfassungsschutz "aktives Sammelbecken der rechtsextremen Szene in Österreich".

Graf: Man muss schon beachten, wann das war. Das war vielleicht vor 15 Jahren. Es wird immer so getan, als ob das gestern gewesen ist.

STANDARD: Sie wollen jetzt aber nicht beim Herrn Marinovic von "Jugendsünden" sprechen.

Graf: Nein, aber haben wir jetzt ein Aufritts- und Redeverbot bei nicht-untersagten Organisationen? Weil: Dann müsste ich dagegen ankämpfen, damit man das abschafft.

STANDARD: Dann sprechen wir über aktuelle Aussagen: Am Donnerstag hat er im Parlament gemeint, dass eine „schleichende Umerziehung" stattfindet. Was ist damit gemeint?

Graf: Das Programm der Besatzungsmächte, vor allem Amerikas, hieß nach dem Zweiten Weltkrieg ja "Umerziehung" - und zwar auf allen Ebenen und nicht nur im Bezug auf den Nationalsozialismus.

STANDARD: Die Alliierten waren für Sie "Besatzungsmächte"?

Graf: Ja, natürlich.

STANDARD: Und was meint Marinovic, wenn er von einer "Vermischung" spricht, die "unser abendländisches Wesen auslöschen soll"?

Graf: Damit macht er - sehr zugespitzt - auf die überbordende Zuwanderung aufmerksam und auf den Umstand, dass wir in Europa in einer Gesellschaft leben, die zunehmend weniger Kinder hat. Er bezeichnet einen Zustand, der eintreten könnte: dass nämlich ein westeuropäisches Volk in 50 bis 100 Jahren nicht mehr existent ist.

STANDARD: Welches Volk?

Graf: Das betrifft alle.

STANDARD: Darf man an rechtsextremen Veranstaltungen teilnehmen, wenn man etwa nur Zuhörer ist?

Graf: Das obliegt jedem selbst. Ich wehre mich dagegen, dass in gute und böse Veranstaltungen eingeteilt wird. Wenn ich zu einer Veranstaltung des sozialistischen Linksblocks gehe, bin ich deswegen doch kein Linksextremist.

STANDARD: Für Sie ist nur entscheidend, ob die Veranstaltung behördlich zugelassen ist oder nicht?

Graf: Das ist das Entscheidende. Ob es dem Dokumentationsarchiv gefällt oder nicht, soll das das Entscheidungskriterium sein?

STANDARD: Aber es gibt so etwas wie die Würde des Parlaments.

Graf: Wer bestimmt die Würde?

STANDARD: Das muss man selbst bestimmen.

Graf: So ist es. Und es gibt Fraktionen und Abgeordnete, und die haben alle Rechte und Pflichten. Präsidentin Barbara Prammer wertet permanent moralisch und politisch. Damit ist eine neue Qualität eingekehrt, die es vorher nicht gab.

STANDARD: Moral ist fehl am Platz?

Graf: Ich werde diese Fragen künftig auch stellen - etwa bei Referentinnen, die zu irgendwelchem feministischem Gedankengut sprechen wollen. Wir hatten hier im Parlament schon welche, die den Männern alle Rechte absprechen, die die Männer in Bildern darstellen, wo sie nur mehr in Käfigen gehalten werden.

STANDARD: Sie stellen Feministinnen auf eine Ebene mit Marinovic?

Graf: Ich will nicht werten. Marinovic wird in ein Eck gedrängt, in das er gar nicht gehört. Das ist unfair. Jemand, der bis zum heutigen Tag Steuern gezahlt hat, der unbescholten ist, der wird plötzlich desavouiert.

STANDARD: Die Grünen vertreiben nun T-Shirts mit der Aufschrift "Eure Schande heißt Martin Graf". Ärgert Sie das? Wollen Sie klagen?

Graf: Ich werde sicher nicht klagen. Ab dem Sommer bringe ich ein eigenes Leiberl raus. Vielleicht mit dem Slogan "Mir stinken die Linken". Ich habe dem Kollegen Walser von den Grünen auch gesagt: Sie machen die beste Reklame für mich. Das schreckt nicht einen einzigen potenziellen Wähler ab. Im Gegenteil: Das hilft, die Bekennerquote zu Martin Graf drastisch zu erhöhen. Da bin ich ihm dankbar.

STANDARD: Wir haben viel über Rederecht im Parlament gesprochen. Warum ist die FP dagegen, dass EU-Abgeordnete im Plenum sprechen?

Graf: Da haben wir einen Wandel vollzogen. In der letzten Gesetzgebungsperiode waren sich alle einig, dass das eine Möglichkeit wäre. Offenbar hat sich das in der Diskussion aber auch bei SPÖ, ÖVP und BZÖ gedreht. Unsere Beweggründe sind: Es hat auch kein nationaler Abgeordneter ein Rederecht im EU-Parlament. Außerdem haben wir immer kürzer werdende Sitzungen und weniger Redezeiten. Und schließlich wollen wir nicht, dass das nationale Parlament ein Signal setzt, dass man nur mehr die verlängerte Werkbank der europäischen Institutionen ist.

STANDARD: Die FPÖ ist sonst für mehr Demokratie. Warum sind Sie gegen E-Voting bei der ÖH-Wahl?

Graf: Ich lese Ihnen aus der Verordnung zum EU-Voting vor. Dort steht: "Werden mittels E-Voting abgegebene Stimmen für ungültig erklärt, so sind die betroffenen Wähler schriftlich zu verständigen." Das ist für mich der Beweis, dass es kein geheimes Wahlrecht gibt. Weil: Sonst könnte ich jemanden nicht verständigen, wenn seine Stimme für ungültig erklärt wird. Darüber hinaus wissen wir, dass EDV sehr anfällig ist, dass man sie auch knacken kann.

STANDARD: Was wollen Sie also tun?

Graf: Zunächst wollen wir im Parlament alle Möglichkeiten ausschöpfen und darum kämpfen, das E-Voting vor der Wahl noch zu verhindern. Gelingt das nicht, werden wir die Wahl mit den Betroffenen beim Verfassungsgerichtshof anfechten. (Peter Mayr, Günther Oswald/DER STANDARD-Printausgabe, 20.4.2009)