Neulich in einer Talkshow im russischen Fernsehsender NTV war wieder die endlose Talfahrt der russisch-ukrainischen Beziehungen zu besichtigen: Dmitri Rogosin, der erratische nationalistische Botschafter Russlands bei der Nato in Brüssel, traf auf Kostjantin Hruschtschenko, seines Zeichens Botschafter der Ukraine in Russland.

"Wie stellen Sie sich vor, dass wir über enge Beziehungen und Freundschaft reden", polterte Rogosin, "wenn Sie ein Land vertreten, dass seine Generäle an einen Tisch setzen will, an dem unsere Städte mit roten Fähnchen markiert sind als Ziel der Nato-Militärplanung, da ja die Nato, wie jeder weiß, militärische und auch nukleare Pläne gegen Russland ausarbeitet?" Hruschtschenko fasste sich nur an den Kopf. Ob er tatsächlich glaube, was er da sage, meinte Hruschtschenko zu Russlands Nato-Botschafter. Ob er ernsthaft denke, die Nato plane den Atomangriff auf Russland, wenn Europa gleichzeitig Geschäfte mit Russland macht und von den Energieressourcen abhängig ist? "Glauben Sie wirklich, das ist die Aufgabe der Allianz?"

Ein Vierteljahr nach der Gasblockade, ein Jahr nach dem Versprechen der Nato, die Ukraine würde in Zukunft Mitglied der Atlantischen Allianz werden, scheint das Verhältnis zwischen den beiden großen Ländern im Osten angespannter denn je zuvor. Doch viel ist in Wahrheit russische Taktik und das Bemühen, den Druck auf Kiew aufrechtzuerhalten, die politischen Lager zu beeinflussen, auch wenn der Nato-Beitritt der Ukraine mittlerweile am Horizont verblasst.

Die US-Regierung unter Barack Obama lässt weit weniger Eile als ihre Vorgängerin erkennen, die Ukraine und Georgien ins Bündnis zu nehmen. Anders als beim Nato-Gipfel in Bukarest vor einem Jahr, als Washington und einige osteuropäische Mitgliedsstaaten auf klare Zusagen an Kiew und Tiflis drängten, vor allem Deutschland und Frankreich aber bremsten, wird es beim Gipfeltreffen der Allianz in Straßburg und Baden-Baden diese Woche keine großen Debatten mehr geben. Die Ukraine müsse mehr tun bei der Modernisierung ihrer Streitkräfte, hatte Pentagonchef Robert Gates beim Nato-Ministertreffen im vergangenen Februar gemahnt - "und, offen gesagt, es muss eine größere Einigkeit innerhalb der ukrainischen Regierung selbst über die nächsten Schritte geben" . Die nun für Oktober angesetzten Präsidentschaftswahlen könnten sie bringen. Auch deshalb lässt Moskau nicht locker.

Georgien, der andere Nato-Kandidat, der den Kreml so aufbringt, lässt die Bündnispartner dagegen ratlos. Beobachter glauben nicht mehr an zielführende Schritte bei der Demokratisierung des Landes unter dem amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili. Nach dem Krieg gegen Russland scheint Saakaschwili politisch kompromittiert. Im Vorfeld der Oppositionsproteste am 9. April nahm die Polizei nun Parteigänger der früheren Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse fest. Bei ihnen sind Waffen aufgetaucht; dass die Polizei sie selbst platziert hat, ist durchaus denkbar. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2009)