Das ukrainische Parlament hat frühzeitige Präsidentschaftswahlen beschlossen. Die von Jänner 2010 auf 25. Oktober vorgezogene Wahl stürzt die von der Finanzkrise schwer getroffene Ukraine in die nächste Politkrise. Der amtierende Präsident Viktor Juschtschenko, dessen Amtszeit im Jänner 2010 ausläuft, will gegen die vorgezogene Wahl Einspruch beim Verfassungsgericht einlegen.

In der Wirtschaftskrise hat sich der Streit zwischen Präsident Juschtschenko und der ukrainischen Premierministerin Julia Timoschenko gefährlich zugespitzt. Die beiden einstigen politischen Verbündeten der Orangen Revolution beschuldigen sich gegenseitig, für die angespannte wirtschaftliche Lage verantwortlich zu sein.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) legte ob des Streits um Reformen seine Milliardenhilfe auf Eis. Juschtschenko gab am Dienstag bekannt, dass die von der Stahl- und Chemieindustrie abhängige Wirtschaft in den ersten zwei Monaten 2009 im Jahresvergleich um mehr als ein Viertel eingebrochen ist.

Von dem Chaos in der ukrainischen Führung profitiert die ukrainische Opposition. Nach einer vom Razumkow Zentrum im März durchgeführten Umfrage hat derzeit Viktor Janukowitsch, ehemaliger Premierminister und Vorsitzender der Partei der Regionen, mit 19,5 Prozent Zustimmung die Nase vorne. Julia Timoschenko ist ihm mit 17,9 Prozent dicht auf den Fersen. Der amtierende Präsident Juschtschenko kommt auf nur vier Prozent der Stimmen. Gute Chancen werden auch Jarsenij Jatseniuk zugesprochen. Der ehemalige Außenminister und Parlamentspräsident kommt bereits auf mehr als 13 Prozent.

Am Vortag hatte Juschtschenko dem Parlament einen Entwurf für eine Verfassungsreform vorgelegt. In diesem schlug der ukrainische Präsident vor, ein Zwei-Kammern-Parlament zu bilden, die Rechte der Regionen und Ortsbehörden zu erweitern, die Abgeordnetenimmunität teilweise aufzuheben und das Mehrheitswahlsystem in den Regionen wieder einzuführen. Außerdem sollte das Parlament über offene Kandidatenlisten gewählt werden.

Die Reformvorschläge stießen im Parlament auf wenig Gegenliebe. Vor allem die Idee, dass ehemalige Präsidenten nach Ablauf ihrer Amtsfrist als Senatoren auf Lebenszeit bestellt werden sollen, wurde kritisiert. Aus dem Oberhaus werde dadurch ein Schongebiet für ukrainische Oligarchen und ehemalige Präsidenten, die sich dort einnisten würden, um Unantastbarkeit zu genießen, sagte Parlamentspräsident Wladimir Litwin. (Verena Diethelm aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2009)