Gelsenkirchen - Die deutsche IG Metall und Arbeitgeber haben sich angesichts der Krise der Stahlindustrie bereits in der zweiten Verhandlungsrunde auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Nach neunstündigen Beratungen vereinbarten sie Mittwoch früh einen Abschluss mit einer Laufzeit von 17 Monaten. Danach erhalten die 85.000 Beschäftigten der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie für 2009 eine Einmalzahlung von 350 Euro und ab 1. Jänner 2010 eine Lohnerhöhung von zwei Prozent. Zudem einigten sie sich auf beschäftigungssichernde Maßnahmen.

"Das ist insgesamt ein schwieriger Abschluss in schwierigen Zeiten", sagte der nordrheinwestfälische IG Metall-Bezirkschef Oliver Burkhard nach dem Abschluss in Gelsenkirchen. Die Beschäftigungssicherung habe eine wichtige Rolle gespielt. Ausgebildete würden künftig 24 statt bisher zwölf Monate übernommen. Zudem werde die Regelung zur Altersteilzeit über den 31. Dezember 2009 hinaus verlängert. Beides hatte die Gewerkschaft verlangt. Die geforderte Lohnerhöhung von 4,5 Prozent habe die IG Metall hingegen nicht durchsetzen können. "Das muss man nicht schön reden", sagte Burkhard.

Arbeitgeber-Verhandlungsführer Helmut Koch verwies darauf, dass die Betriebe die Wochenarbeitszeit für alle Beschäftigten auf 28 Stunden senken können. Im Gegenzug werden der Vereinbarung zufolge 29 3/4 Stunden bezahlt. "Die Situation der Stahlindustrie ist außerordentlich schwierig", sagte Koch. Viele Betriebe seien nur zu 50 Prozent ausgelastet. "Ich weiß nicht, ob wir die Talsohle erreicht haben." Mit der Gewerkschaft wollten sich die Arbeitgeber bei der deutschen Regierung dafür einsetzen, dass die Zahlung des Kurzarbeitergeldes auf 24 von derzeit 18 Monate verlängert wird.

Der Tarifvertrag läuft vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010. Die Tarifrunde fand unter völlig anderen Vorzeichen als im Vorjahr statt, als sich Konzerne wie ThyssenKrupp, Salzgitter und ArcelorMittal vor Aufträgen kaum retten konnten. Damals hatte die IG Metall eine Lohnerhöhung von 5,2 Prozent durchgesetzt - der höchste Abschluss der Branche seit 15 Jahren.

Inzwischen ist die Nachfrage in der Stahlbranche wegen der Krise wichtiger Abnehmerbrachen wie Automobilindustrie und Maschinenbau eingebrochen. 40.000 Stahlbeschäftigte sind nach Angaben der IG Metall in Kurzarbeit. Der deutsche Branchenprimus ThyssenKrupp will weitere Arbeitsplätze abbauen, nachdem er bereits rund 5000 Leiharbeiterstellen gestrichen hat.

"Wir haben einen sehr moderaten Abschluss gemacht", sagte ThyssenKrupp Personalvorstand Ralph Labonte, der an den Verhandlungen in Gelsenkirchen teilnahm. Beide Seiten könnten damit "unter Schmerzen leben". Auswirkungen auf den geplanten Stellenabbau des Konzerns habe der Tarifabschluss nicht. Wie viele Posten gestrichen werden, sei weiter offen. "Wir sind bei dem, was wir an Maßnahmen in den nächsten Wochen und Monaten umzusetzen haben, auf die Mitarbeit unserer Betriebsräte und auch der IG Metall angewiesen." Auch daher sei es wichtig gewesen, einen Tarifabschluss zu erzielen. (APA/Reuters)