Wien - Die von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) geplante Finanzspritze für die Krankenkassen könnte verfassungswidrig sein. Zu dieser Analyse kommt der Verfassungsexperte Theo Öhlinger.

Konkret soll den defizitären Kassen über drei Schienen geholfen werden. Erstens ist eine Liquiditätshilfe vom Finanzminister - voraussichtlich 45 Millionen Euro für 2009 - geplant. Dieses Geld soll auf jene Kassen aufgeteilt werden, die Ende 2008 ein negatives Reinvermögen hatten.

Zweitens will Stöger laut seinem Gesetzesentwurf eine Katastrophen-Rücklage der Sozialversicherung auflösen. Von diesen 42 Millionen Euro würden allein 33 Millionen an die Wiener Gebietskrankenkasse gehen. DerRest würde auf die übrigen Gebietskrankenkassen aufgeteilt.

Und drittens bekommen die Kassen vom Finanzminister 96 Millionen Euro mehr an Mehrwertsteuer-Rückvergütung, als sie tatsächlich an Mehrwertsteuer für Medikamente ausgeben.

Zumindest beim zweiten Punkt, der Auflösung der Rücklage im Ausgleichsfonds, hat Öhlinger große Bedenken. Der Grund:Eingezahlt haben alle Kassen in diesen Fonds, bei der Ausschüttung profitiert großteils die Wiener Kasse. "Die Sache ist sicher dann verfassungswidrig, wenn die Beiträge der einen Kasse für Leistungen einer anderen verwendet werden - und offensichtlich ist das hier der Fall." Nicht rechtswidrig sei das Gesetz nur, wenn "es objektive Gründe in der Versichertenstruktur oder Ähnliches gibt, davon ist im Entwurf aber keine Rede" , sagt Öhlinger.

2004 erfolgreiche Klage

Bei der Liquiditätshilfe des Bundes und der Mehrwertsteuer-Rückvergütung gibt es laut Öhlinger zwar einen "größeren Spielraum", "unproblematisch" sei die Bevorzugung finanzschwacher Kassen in diesem Bereich aber auch nicht.

Die Vorarlberger und Salzburger Gebietskrankenkassen - beide stehen noch relativ gut da - haben letzte Woche bereits mit Klagen gedroht. Öhlinger:"Ich denke, dass diese Kassen gute Chancen beim Verfassungsgerichtshof hätten."

2004 gab es bereits ein ähnliches Verfahren. Damals wurden die liquideren Kassen zu "Zwangsdarlehen" verdonnert, was der VfGH dann als unzulässig aufhob. Im Stöger-Büro heißt es, man werde sich die Bedenken bis zum geplanten Beschluss am 21. April ansehen. Allerdings sei immer klar gewesen, dass man zunächst jenen Kassen helfen wolle, die akut gefährdet seien. (Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 1.4.2009)