Marvin Gaye zur Zeit seines Albums "Let's Get It On". Wie viele Kinder dazu gezeugt wurden, ist nicht überliefert.

Foto: Motown

Wien - Selbst im an Tragödien nicht armen afroamerikanischen Pop nimmt der Tod von Marvin Gaye einen grausamen Ausnahmestatus ein. Einen Tag vor seinem 45. Geburtstag wurde der Soulstar von seinem eigenen Vater, Reverend Marvin Pentz Gay, einem christlichen Fundamentalisten, erschossen. Grund war ein Streit über Geschäftspapiere, dem gingen jahrelange Zerwürfnisse angesichts des ausschweifenden Lebensstils (Drogen, Promiskuität, ...) des Musikers voraus. Marvin Gayes Leben endete 1984, sein Vater wurde zu sechs Jahren verurteilt - auf Bewährung. Ein diagnostizierter Gehirntumor rettete ihn vor einer Mordanklage, er starb 14 Jahre später 1998.

Marvin Gaye, der an seinen Namen aus Verehrung für sein Idol Sam Cooke ein "e" anhängte, wurde als Marvin Pentz Gay Jr. am 2. April 1939 in Washington D. C. geboren. Nach einer kurzen Phase bei der Doo-Wop-Gruppe The Moonglows arbeitete Gaye als Session-Drummer für Berry Gordys Motown Label in Detroit. Das war 1960. Im Jahr darauf debütierte er mit The Soulful Moods of Marvin Gaye, dessen jazzige Ausrichtung beim Publikum durchfiel, weshalb der lebenslange Jazzfan auf Rhythm 'n' Blues umsattelte.

Damit sollte er Mitte der 1960er-Jahre einer der größten Stars des Genres werden, Evergreens wie "Can I Get A Witness" oder "How Sweet It Is (To Be Loved By You)" sind damals entstanden. Angesichts der US-Bürgerrechtsbewegung, der formalen Enge des auf Chartserfolge zielenden Labels sowie persönlicher Tragödien wie dem Tod seiner Gesangspartnerin Tammi Terrell ("Ain't No Mountain High Enough") orientierte sich ein depressiver Gaye künstlerisch neu.

1971 veröffentlichte er mit "What's Going On" ein Album, das als eine der besten Popveröffentlichungen aller Zeiten gilt. Gaye löste sich vom hedonistischen Happy-Sound und thematisierte auf diesem Konzeptalbum Rassismus, Drogenabhängigkeit, den Vietnamkrieg und dessen Bedeutung für Afroamerikaner.

Mit weiteren Konzeptalben wie " Let's Get It On" (1973) und "I Want You" (1975) festigte er auch seinen Ruf als Schwerenöter. Auch "Here, My Dear" (1978) war ein Konzeptalbum. Gaye wurde anlässlich der Scheidung von Anna Gordy dazu verurteilt, die Einnahmen seines nächsten Albums an sie zu überweisen. "Here, My Dear" ist eine intime Abrechnung mit seiner Ehe - und führte beinahe zu einer weiteren Klage Gordys gegen Gaye.

Es folgten weitere Jahre zwischen Drogensucht, Bankrotterklärungen und Exilen in Hawaii und Europa, wo sein letztes Album erschienen ist: "Midnight Love" (1982) mit dem Welthit "Sexual Healing", bei dem sein späterer Biograf David Ritz ("Divided Soul: The Life & Times of Marvin Gaye") als Co-Autor angeführt ist.

Trotz aller posthumen Verklärung hat Gayes vielschichtiges und vielfältiges Werk bis heute nichts von seiner Magie verloren und wird immer wieder neu entdeckt: Gaye, politischer Chronist, Schwerenöter, Goldkehlchen. (Karl Fluch/DER STANDARD, Printausgabe, 1.4. 2009)