Wien - "Eine Verschiebung ist meines Erachtens nicht die richtige Ansage." Ganz Sozialpartner ist Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, wenn es um die von Industriekonzernen geforderte Sistierung der Lohnrunden in Elektronik-, Papier- und Chemieindustrie geht. "Weil sonst das System grundsätzlich durcheinanderkommt." Die Leute könnten beginnen, Einkäufe und Anschaffungen aufzuschieben, und das würde den Handel, die Produzenten und damit die Inlandsnachfrage treffen. Handel, Tourismus und Teile der Bauwirtschaft "laufen derzeit aber noch ganz gut", sagte der frühere Wirtschaftskammer-Vizegeneral in der ORF-Pressestunde.

Da die Regierung mit der Steuerreform die Inlandsnachfrage stärken wolle, wäre auch die von Industriellen wie Hannes Androsch zur Diskussion gestellte Nulllohnrunde das falsche Signal, glaubt Mitterlehner. Außerdem würden die Kurzarbeiter (österreichweit sind rund 40.000 Beschäftigte zur Kurzarbeit angemeldet, Anm.) ohnehin auf einen Teil ihrer Löhne verzichten. "Es wäre falsch, wenn wir da eine Direktive vorgeben", Kollektivvertragsverhandlungen seien Aufgabe der Sozialpartner.

So sehen das auch Betriebsräte und Gewerkschafter. Bei ihnen hat sich die Industriellenvereinigung bereits eine Abfuhr geholt. Metallgewerkschaftschef Rainer Wimmer und Privatangestellten-Gewerkschafter Karl Proyer lehnen Nulllohnrunde, Lohnverzicht oder eine Verschiebung der Verhandlungen auf Herbst unter dem Hinweis ab, dass die Kaufkraft unbedingt erhalten werden müsse.

"Benya-Formel"

Ihr Spielraum bei den kommenden Mittwoch mit dem Wirtschaftsgespräch und der Übergabe des Forderungspakets beginnenden Kollektivvertragsverhandlungen für die 65.000 Beschäftigten der Elektro- und Elektronikindustrie ist freilich klein: Die Jahresinflationsrate erwarten Wirtschaftsforscher heuer zwischen 0,6 und 0,9 Prozent und das Wirtschaftswachstum (BIP real) mit minus 2,2 bis minus 2,7 Prozent negativ. Damit ist klar, dass von der "Benya-Formel Inflation plus Produktivitätsfortschritt" nicht viel mehr bleibt als die Inflationsabgeltung. Mitterlehner sieht dennoch "noch ein bisschen Spielraum".

In Arbeitgeberkreisen werden auch Alternativen ventiliert: Einmalzahlungen etwa brächten den Beschäftigten Bares, würden aber nicht dauerhaft belasten. Auch über eine Streichung von Jubiläumsgeld und Diäten wollen manche reden, allerdings als Abtausch gegen eine Reallohnerhöhung.

Den Vorwurf, die Regierung habe das wahre Ausmaß der Wirtschaftskrise seit Dezember bewusst heruntergespielt, weist der Wirtschaftsminister zurück. Ohne valide Konjunkturprognosen wären Signale der Verschlechterung unverantwortlich gewesen. Eine mögliche Pleitewelle will er über das Insolvenzrecht mildern. Es soll nach US-Vorbild (Chapter-11-Gläubigerschutz) in Richtung Substanzerhaltung novelliert werden. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 30.3.2009)