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Paul Scharner hat sich in Velden eine neue, spektakuläre Frisur zugelegt. Seine Karriere als Fußballer hat er bis ins letzte Detail geplant. Die Rolle als Vorbild taugt ihm auch.

Foto: APA / Robert Jäger

Standard: Neuer Teamchef, neue Spieler, neue Erwartungen. Welchen Eindruck haben Sie nach sechs Tagen Trainingslager?
Scharner: Einen sehr positiven. Jeder haut sich voll rein, die Kommunikation ist viel besser geworden - obwohl ich manche Spieler nicht einmal gekannt habe. Dass Dragovic bei der Austria verteidigt, wusste ich davor nicht. Der Betreuerstab bringt eine Lockerheit rein. Auf dem Platz geht es natürlich professionell zu. Unter Karel Brückner gab es einige Missverständnisse.

Standard: Lockerheit löst sicher nicht die Probleme des österreichischen Nationalteams und beschert auch keine Seriensiege.
Scharner: Stimmt. Aber auch der liebe Gott hat die Welt nicht über Nacht erschaffen. Das Team gewinnt schon seit Jahren sehr selten, vielleicht ändert sich das am 1. April gegen Rumänien.

Standard: Ausgerechnet die Rebellen der Vergangenheit sollen die Vorbilder der Zukunft sein. Emanuel Pogatetz wurde zum Kapitän befördert, Sie zum Stellvertreter. Witzig, oder?
Scharner: Es ist witzig, aber gut. Constantini hat erkannt, dass wir Erfahrung mitbringen. Es ist kein Zufall, dass wir in England engagiert sind. Ich traue mir absolut zu, Vorbild für die Jungen zu sein. Es wird auch kein Theater geben, sollten Andreas Ivanschitz und Martin Stranzl zum Kader stoßen.

Standard: Constantini wurde als Feuerwehrmann verpflichtet. Sie kritisierten einst die fehlenden Perspektiven im ÖFB, beendeten Ihre Karriere im Team. Wirklich anders ist die Situation nun auch nicht.
Scharner: Ich bleibe auch jetzt dabei. Der langfristige Plan fehlt, es gehören die Ziele endlich genau formuliert. Das vermisse ich. Ein Trainer hätte für vier Jahre engagiert werden müssen. Vielleicht ist es aber ohnehin so, ich weiß ja nicht, was ÖFB-Präsident Leo Windtner mit Constantini ausgeschnapst hat.

Standard: Offenbar fehlte Ihnen das Nationalteam doch sehr. Sie sind in jene Mannschaft zurückgekehrt, in der man das Fußballspielen verlernt. Der damalige Teamchef Josef Hickersberger hatte Ihnen diese Aussage übelgenommen.
Scharner: Ich kann das auch verstehen. Aber es war so, dass man nach dem Nationalteam völlig verunsichert war. Normal sollte man sich in dieser Auswahl eher Selbstvertrauen für den Alltag holen. Ich habe das nur kritisiert, vielleicht war es ein Fehler. Der Scharner ist aber kein Spinner, als der er manchmal hingestellt wird. Ich habe das Team sehr bald vermisst. Es gehört zum Leben eines Fußballers dazu. Für dein Land zu spielen ist ein Nach-Hause-Kommen, eine Rückkehr zu deinen Wurzeln.

Standard: Weshalb hält sich ausgerechnet Paul Scharner schon vier Jahre in der Premier League bei Wigan Athletic? Davon können vor allem die jungen österreichischen Kicker maximal träumen.
Scharner: Ich hatte immer einen Plan, bin konsequent meinen Weg gegangen. Einige Spieler haben in jungen Jahren schon mehr Transfers als Einsätze hinter sich. Ich bin zu Brann Bergen nach Norwegen gegangen, obwohl ich dort weit weniger als bei der Austria verdient habe. Aber es war vernünftig. Jetzt bin ich der erste Spieler von Wigan, der es auf 100 Partien in der Premier League gebracht hat. Darauf darf man stolz sein. Ich möchte meine Erfahrungen im Team weitergeben. Vielleicht muss man sich für die nachfolgende Generation opfern, da- mit diese bessere Ergebnisse erzielt.

Standard: Valentin Hobel ist Ihr Mentalbetreuer. Ist das nicht ungewöhnlich für einen Fußballer?
Scharner: Wir arbeiten seit neun Jahren zusammen. Er ist kein Guru, sondern ein persönlicher Trainer und ein Freund. Wer Olympiasieger wie Mario Reiter hervorbringt, der kann auch einem Fußballer helfen. (Christian Hackl, DER STANDARD, Printausgabe, Samstag, 28. März 2009)