"Kinder! Bereut! Stoppt das verdammte Shopping! Halleluja!" - Reverend Billy und sein Gospel Choir bekehren das "donaufestival"-Publikum in Krems.

Foto: donaufestival

Seine Anti-Konsum-Appelle haben ihm mancherorts Hausverbot beschert. In Krems predigt er aber.


Hochwürden selbst tragen einen weißen Smoking. Das ginge ja noch. Die blondierte Elvis-Tolle hingegen macht schon stutzig: Dieser Reverend Billy ist eventuell doch nicht so bibelfest, wie es der Berufsstand verheißt. Hauptsache, die Mission stimmt. Und das tut sie. Denn wer dem Konsumwahn Einhalt gebieten will, findet heutzutage schnell sein reuiges Publikum, einkaufen rennt man dann aber trotzdem wieder. Produkte laufen Gott einfach den Rang ab. Dreizehn Jahre missionarische Arbeit durch Reverend Billy haben daran nichts geändert.

Schon 1996 ging der im Bürgernamen Bill Talen gerufene und darüber hinaus mit zig Spitznamen wie "Televangelist" versehene amerikanische Prediger als Ein-Mann-Performer gegen den narkotischen Kaufrausch vor. Mittlerweile hat sich die "Church of Stop Shopping" ausgedehnt; und ohne seinen 35-köpfigen Gospel Choir und sieben Musikern geht der Reverend nicht mehr aus dem Haus, bzw. zieht er nicht mehr um den Erdball. Dutzende einschlägige Lieder nebst einer Bühnenshow gehören dabei zum Repertoire.
Tragbare Kanzel

Reverend Billy hat das Geschichtenerzählen von Autoren wie Charles Gaines oder Kurt Vonnegut gelernt. Ein echter Kleriker, Rev. Sidney Lanier, ein Cousin von Tennessee Williams übrigens, unterstützte ihn in biblischen Belangen. Mit einer tragbaren Kanzel zog der Künstler weiland durch die New Yorker Einkaufsstraßen, um an Ort und Stelle in moralischen Mini-Soap-Operas gegen die allseitige Disneyfizierung seine Stimme zu erheben. Der Rest ist amerikanische Performance-Geschichte und wird nun beim donaufestival wiederentdeckt. Den Werdegang des Missionars dokumentieren mittlerweile zwei Filme, What Would Jesus Buy von Rob van Alkemade und Reverend Billy von Dietmar Post.

Aus aktuellem Anlass, d. h. anlässlich der Wirtschaftskrise, die zwar noch in keinem Erdteil zu einer Kaufkrise geworden ist, hat sich die "Church of Stop Shopping" kürzlich in "Church of Life After Shopping" umbenannt.

Zu ihren obersten Geboten gehört weiterhin der First Amendment der Verfassung (Presse-, Rede-, Meinungsfreiheit, Religions- und Versammlungsfreiheit). Auf diese Grundlagen muss Reverend Billy im Rahmen seines eigenen Schaffens des Öfteren verweisen, vollzieht sich sein singender Predigtdienst doch jeweils in der Nähe klingender Registrierkassen. Das stürzt die dort wachende Mall-Security regelmäßig in Verzweiflung. Bei Starbucks ist damit Schluss, dort hat der Geschäftsverderber weltweit Hausverbot. Insgesamt kann Reverend Billy auf 50 Verhaftungen zurückblicken, weil er u. a. die vom Kaufrausch hypnotisierten Bürgerinnen und Bürger zu offensiv dazu anhielt, sich ihrer Kreditkarten zu entledigen.

Mit seiner radikalen Performancekunst hat die "Church of Stop Shopping" aber auch konkrete, ihrer Überzeugung entsprechende Verbesserungen erzielt: Zum Beispiel vertreibt Starbucks - politisch korrekt - auch äthiopischen Kaffee.
Paris, komm doch!

Die Insignien des Konsums und ihre lebhaften Träger werden in den Liedern angeprangert. Und mit dem Wunsch eines Journalisten, Paris Hilton bitte endlich in der "Church of Stop Shopping" zur Schule gehen zu lassen, werden offene Türen eingerannt. Die Hotelerbin ist längst Teil des friedfertig schwungvoll klingenden Liedguts der Gruppe. Shopocalypse now! (Margarete Affenzeller/ DER STANDARD, Printausgabe, 26.3.2009)