Die eigene Stimme, der eigene Text als Klang-material einer Komposition im Studio von Ö1: Im Bild: Ilse Kilic u. Fritz Widhalm.

 

Foto: C. Zintzen

Wien - Dem stupenden Erfolg des Hörbuchs liegt möglicherweise ein Urbedürfnis des Menschen zugrunde: Die tiefe Freude, eine Geschichte erzählt zu bekommen. Dem beruhigenden Klang einer Stimme zu lauschen. Viele der Aufnahmen, die heute als Hörbuch angeboten werden, entstanden jedoch ursprünglich für den Rundfunk. Seit Jahrzehnten nehmen die Radiosender in Lesungen und Hörspielen die Möglichkeit wahr, die ihr Medium als Ort der Klänge, Ort der Stimme der Literatur bietet.

Eine kostbare gedankliche Erweiterung dessen, was Literatur im Radio noch heißen könnte, hat der Sender Ö1 vor zehn Jahren entwickelt: Viermal jährlich präsentiert er am späten Donnerstagabend "Literatur als Radiokunst".

1999 von der Autorin Liesl Ujvary erdacht, seit 2001 von der vielseitigen Germanistin, Fotografin und Medienkünstlerin Christiane Zintzen ideenreich weitergeführt, spielt Literatur als Radiokunst dezidiert mit der Präsenz des Senders als zweiter Kunstform. Das Format ordnet der Technik nicht eine lediglich literaturvermittelnde, aufzeichnende Rolle zu, sondern nimmt sie als gleichberechtigten Partner neben dem Text ernst. Konkret lautet die Spielregel so: Die Autoren lesen den Text im Studio selbst ein - und erhalten dann eine Woche lang Gelegenheit, unterstützt von den Technikern des ORF, mit dem entstandenen Klangmaterial gewissermaßen zu komponieren: Textspuren zu verfremden, übereinanderzulegen, zu zerstückeln und vieles mehr.

Vierzig Autorinnen und Autoren sind bisher der Einladung von Liesl Ujvary und Christiane Zintzen gefolgt. Ihre Aufzählung liest sich wie ein Who's who zeitgenössischer Literatur: Elfriede Jelinek, Michael Lentz und Ulf Stolterfoht waren ebenso vertreten wie Franz Josef Czernin, Anja Utler, Oswald Egger, Brigitta Falkner oder Benedikt Ledebur.

Im Wiener Literaturhaus gibt es nun eine feine kleine Ausstellung, gestaltet von Christiane Zintzen und Karl Petermichl, Gelegenheit, allen vierzig Produktionen zu lauschen, die Text-Partituren von Hanno Millesi und Anja Utler zu bestaunen, selbst an den Reglern zu drehen und mit den Möglichkeiten der eigenen Stimme zu spielen. (Cornelia Niedermeier / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.3.2009)