" Das Hauptproblem sehe ich darin, dass etliche Politiker zu populistisch agieren. Wenn es irgendwo etwas Unpopuläres gibt, dann sagen sie, das waren die in Brüssel."

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Karl Gladt verbindet den Slogan "Shared Knowledge, Shared Culture, Shared Future" mit Europa. Der Slogan wurde für die "Henkel CEE Academy", ein internes Personalentwicklungsprogramm, entwickelt, ist aber "von der Philosophie her generell für Europa anwendbar".

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Der Jurist Karl Gladt reist seit rund zwanzig Jahren als Manager durch Osteuropa. Wie sich der Lebensstandard im Osten verändert hat, was Österreich mit den osteuropäischen Ländern verbindet, und warum viele Menschen Vorbehalte gegenüber der EU haben, darüber sprach er mit derStandard.at. Die Fragen stellte Rosa Winkler-Hermaden.

derStandard.at: Sie sind seit vielen Jahren beruflich in Osteuropa tätig. War es Ihr persönliches Anliegen, dort zu arbeiten oder ist das eher zufällig gekommen?

Gladt: Es war die Vision des ehemaligen Generaldirektors der Persilgesellschaft, der gesehen hat, dass wir in Osteuropa unser Know-how nutzen können. Wir haben begonnen, die Märkte in den - damals noch kommunistischen - Nachbarländern zu erschließen. Das war ab Mitte der 80er-Jahre.

Wir haben in Budapest ein Joint-Venture gegründet, noch vor der Wende. Wir waren unter den ersten, die sehr intensiv zunächst einmal in die Nachbarländer gegangen sind, etwa nach Ungarn oder Tschechien. Ab Anfang der 90er-Jahre kam dann die Verantwortlichkeit für Polen, das Baltikum, Rumänien und Bulgarien dazu. Seit Mitte der 90er-Jahre sind wir auch in Russland vertreten.

derStandard.at: Wie war das am Anfang, in den 80er-Jahren? Hat es große Kommunikationsprobleme gegeben?

Gladt: Man hat Deutsch und Englisch miteinander gesprochen. Unsere Verhandlungspartner waren zum Teil aus einer Generation, wo Deutsch besser gesprochen wurde als Englisch. Das ist heute anders, jetzt ist Englisch die erste Fremdsprache.

derStandard.at: Hat sich beim Lebensstandard in den osteuropäischen Ländern im Laufe der Jahre was verändert?

Gladt: Es hat sich vieles geändert. Seit der zweiten Hälfte der 90er-Jahre zeigt sich die positive Entwicklung in den Osteuropäischen Ländern sehr deutlich. Ich glaube aber auch, dass es - etwa im Bereich der Pensionisten - so genannte "Modernisierungsverlierer" gibt. Da ist auch stark die Nostalgie zur alten Zeit vorhanden. Nach dem Motto: "Da haben alle nichts gehabt, insofern war die Gerechtigkeit etwas besser ausgeprägt als heute". Heute ist die Schere zwischen Wohlhabenden und einer nicht geringen Menge von Leuten, die nicht in Geld schwimmen, größer geworden.

derStandard.at: In welchen Städten sind Sie hauptsächlich unterwegs?

Gladt: Ganz unterschiedlich: Prag, Maribor, Budapest, Moskau, St. Petersburg.

derStandard.at: Wieviel Zeit verbringen Sie im Ausland?

Gladt: Ich kann es gar nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich mir immer gedacht habe, es ist gar nicht so schlimm. Wenn man meine Frau gefragt hat, hat sie jedoch immer gesagt, er ist nie da.

derStandard.at: Nutzen Sie in den osteuropäischen Städten auch das kulturelle Angebot - oder sind Sie nur zum Arbeiten dort?

Gladt: Überwiegend ist es so, dass man seine Besprechungen hat, für Sightseeing und kulturelle Angebote ist meistens zu wenig Zeit.

derStandard.at: Auch heute wandern noch viele österreichische Firmen nach Osteuropa ab. Was ist das wirtschaftlich so interessante an Osteuropa?

Gladt: Die Länder sind für die Unternehmen ein Wachstumsmarkt - auch in Zeiten der Krise. Für Österreich sind die Länder interessant, weil es sehr viele gemeinsame kulturelle Aspekte gibt. Ich will jetzt nicht das Wiener Telefonbuch zitieren, aber es war für uns gerade am Beginn so deutlich, dass unterschwellig immer eine Gemeinsamkeit vorhanden war.

Ich glaube auch, dass die österreichische Wirtschaft doch relativ rasch erkannt hat, dass in osteuropäischen Ländern gute Geschäfte zu machen sind. Deshalb waren wir vielleicht da und dort auch die ersten - mit einer gewissen Pioniermentalität. Auch da hat irgendwo im Hintergrund die kulturelle Prägung der Österreicher eine gewisse Rolle gespielt - auch wenn heute immer noch bei manchen Östereichern aus Mangel an Vertrautheit Vorbehalte gegen Ausländer aus Osteuropa bestehen.

derStandard.at: Österreich hat von der Osterweiterung profitiert. Warum ist dann gerade in Österreich die Ablehnung gegenüber der EU so groß?

Gladt: Das Hauptproblem sehe ich darin, dass etliche Politiker zu populistisch agieren. Wenn es irgendwo etwas Unpopuläres gibt, dann sagen sie, das waren die in Brüssel. Ich glaube auch, dass die Entwicklung der EWG zur Europäischen Union zu schnell gegangen ist. Die ältere Generation war noch nicht in der Lage, sich darauf einzustellen. Sie hat noch nicht erkannt, dass es keine Bedrohung gibt. Sie hat Angst vor Verbrechern, die über die Grenze kommen und uns hier bedrohen, als würde es in Österreich niemanden geben, der Autos aufbricht.

derStandard.at: Sie selbst hatten da keine Bedenken?

Gladt: Ich konnte die EU schon als Jugendlicher positiv miterleben, weil ich die Gelegenheit hatte, mit Schülern meiner Generation bei Veranstaltungen des Europarates teilzunehmen. Ich habe das in mehr als positiver Erinnerung gehalten.

Die Menschen müssen sich aneinander gewöhnen, sehr langfristig. Es ist vielleicht eine Utopie und ich werde es sicherlich nicht mehr erleben, aber langfristig glaube ich, dass wir in einer historischen Entwicklung vom alten Feudalstaat, über die Nationalstaaten in eine Regionalisierung hineinwachsen müssen, wo innerhalb der Region unterschiedliche Kulturen zusammenleben. Diese Entwicklung wird vielleicht noch Generationen brauchen, aber wir sollten versuchen, dass unter langfristiger Sicht so weiterzuführen, weil es das ist, was auf die Dauer den Frieden in Europa sichert.

derStandard.at: Kann es sein, dass die Wirtschaftskrise Europa zusammenschweißen wird? Oder was wird sich dadurch ändern?

Gladt: Es wird sich nicht allzu viel verändern. Es werden alle versuchen, die Krise durchzutauchen. Wenn wir durch sind und den Tunnel wieder verlassen können, dann können wir weitermachen, wie zuvor. Natürlich wird es da und dort Veränderungen geben. Es wird Firmen geben, die es nicht überleben. Uns wird bewusst werden, dass wir gemeinsam in der EU die Krise besser bewältigen können, als allein. Man braucht sich nur anschauen, wie sehr Länder, die in der Vergangenheit dem Euro nicht unbedingt zugeneigt waren, jetzt sagen, wir hätten ihn gerne.

derStandard.at: Soll die weitere EU-Erweiterung rasch vor sich gehen?

Gladt: Sie ist in jedem Fall notwendig, vor allem in Hinblick auf die Westbalkan-Länder. Ich halte es für falsch, Serbien auszugrenzen. Mit allen Problemen, die es dort gibt. Man ist durch die Erweiterung eher in der Lage die derzeit bestehenden Probleme zu lösen - auch im Hinblick der Euopäischen Union als eines der wesentlichen Friedensprojekte. (derStandard.at, 27.3.2009)