Lässt sich Gerd Bacher wirklich nicht umstimmen, den ORF ein sechstes Mal als General zu führen? Die Frage kursiert wieder auf dem Küniglberg, seit die ORF-Legende mit ihren 83 Jahren dynamisch wie eh durch "Im Zentrum" wirbelte. Da ging es um Spionagevorwürfe gegen Bachers früheren Fernsehdirektor Helmut Zilk. Heute, Mittwoch, nimmt sich der ewige General im "Club 2" sein Lebenswerk ORF vor, und wie seine Nachfolger und die Politik damit umgehen. Man kann ORF-Chef Alexander Wrabetz für die Debatte zur Geisterstunde nur viel Glück wünschen.

Bacher als nächster ORF-General wäre stimmig: 1964 erzwangen die Chefredakteure von Österreichs Zeitungen ein Volksbegehren gegen den Parteizugriff auf den ORF. 1966 beschlossen ÖVP und FPÖ das neue Rundfunkgesetz. 1967 wurde Bacher General und baute den ORF grundlegend neu: nicht allein seine heute schrottreife Zentrale und die Landesstudios, vor allem die Information, auf dass sie diesen Namen auch verdiente.

Chefredakteure formieren sich

In diesen Tagen formieren sich Chefredakteure der österreichischen Zeitungen wieder für einen unabhängigen, zukunftsträchtigen, österreichischen Rundfunk. Nicht ganz zufällig in diesen Tagen. Die ihrem Titel nach große Koalition von SPÖ und ÖVP will sich den ORF einverleiben. Den Eindruck äußerte Armin Wolf schon 2008 im Standard. Den Eindruck haben die Regierungsparteien bisher nicht zerstreut.

Im Gegenteil: Die ÖVP, 2006 bei der Wahl von Alexander Wrabetz zum ORF-Chef ausgetrickst und leer ausgegangen, reklamiert schwarze Hardliner und Vertraute ins Direktorium der Gebührenanstalt. Die SPÖ, verkörpert durch Parteichef und Kanzler Werner Faymann, hätte zwar schon einen roten ORF-General, doch der stammt noch aus dem Freundeskreis von Vorgänger Alfred Gusenbauer. Faymann macht aus der Partei eine Partie, sagen auch Rote. Faymanns Seilschaft von Wien-Liesingern und Arbeiterkämmerern soll auch den Küniglberg ersteigen.

AUA-Reflex

Der ORF unter Alexander Wrabetz lieferte dafür Anlässe: 80 Millionen Verlust erwecken beim Kanzler den AUA-Reflex. Wenn die Regierung aber einer neuen ORF-Führung die 314.000 Befreiungen von Gebühren abgilt, diese 60 Millionen der amtierenden indes verweigert, dann offenbart sich das Ziel. Das EU-Wettbewerbsverfahren böte einen logischen Anlass für Änderungen am ORF-Gesetz. Wenn die ÖVP dessen Ausgang nun gar nicht so wichtig findet, offenbart das ebenso das Ziel: nur vertrautes Personal.

Die Regierung könnte den stichhaltigen Verdacht zumindest mildern. Sie könnte ihre grundlegenden Überlegungen offenbaren, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk 2010, 2015 leisten soll. Wenn es die Überlegungen gibt. Und wenn sie darüber hinausgehen, wie und wie lange Faymann, Pröll & Co. in den "ZiB"s vorkommen wollen. Wenn die Regierung Ziele und Aufgaben präzise formuliert hat, könnte sie, eigentlich ja der Gesetzgeber, nachdenken, was der ORF zur Umsetzung braucht - auch das transparent und nachvollziehbar. 

Kassasturz

Dafür wiederum wäre eine Art grundlegender Kassasturz des bestehenden ORF hilfreich. Einmal durchchecken: Wer tut eigentlich was im ORF wozu um wie viel? Alexander Wrabetz' fettes Strategiepapier liefert Anregungen, Gerd Bacher hat auch ein paar gute Ideen, zum Beispiel Werbung stark einzuschränken, der Rechnungshof lieferte sachdienliche Hinweise.

Radikaler Zugang ist gefragt. Strukturell, nicht allein in Besetzungsfragen. Und von einem Credo Bachers muss sich der ORF rasch verabschieden. Dort gilt für viele, was Bacher über Zilks angebliche Spionagehonorare sagte: "5000 Schilling? Dafür beiß' ich mir nicht einmal die Fingernägel ab!" (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 25.3.2009)