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Drohen leere Klassenzimmer? Wenn zu viele angehende Junglehrer abgeschreckt werden, wird es eng.

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Jens-Fredrik Maier, angehender Volksschullehrer und Christa Heinrich, ÖH-Vorsitzende sehen sich in Zukunft in einer Ganztagsschule unterrichten.

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Mit ihrer drei Monate alten Tochter stürmt Annika Sibert*, 36, ins Beratungskammerl der ÖH-Vertretung an der Pädagogische Hochschule (PH) in Wien. "Sind Proteste gegen die geplante Stundenkürzung geplant?", fragt sie. Die zweifache Mutter ist eigentlich Schauspielerin und hat sich vor zwei Jahren entschieden, Hauptschullehrerin zu werden.

Sorge um den Arbeitsplatz

"Fast niemand will Hauptschullehrer werden. Es hat geheißen, das ist ein sicherer Job und jetzt droht die Unterrichtsministerin mit einem Aufnahmestopp. Das ist eine volle Watsche", ärgert sie sich. Inzwischen hat sie das Schulgebäude verlassen und führt ihr Baby im Kinderwagen spazieren. Die Lehrer würden ihr sehr entgegen kommen, das Kind könne sie in die Lehrveranstaltungen mitnehmen. Sie bemühe sich sehr, dass sie das Studium nicht unterbrechen muss. Dass sie die Hausarbeiten mit dem Baby am Arm mache, sei für sie nichts Ungewöhnliches. "Da bemüht man sich wo es nur geht, und dann so etwas", sagt sie. Auch die Nachricht, dass laut PH-Rektorin Dagmar Hackl die Chancen für Junglehrer in Wien gut stehen, beruhigt sie nicht: "Und was, wenn ich im Burgenland bin? Wenn das so weiter geht, will niemand mehr Lehrer werden. Dann muss Schmied dafür sorgen, dass die übrigen gebliebenen Lehrer gleich zehn Stunden mehr arbeiten", so Sibert.

Dringend benötigte LehrerInnen

Dabei werden Junglehrer in spätestens vier, fünf Jahren dringend benötigt, etwa dann, wenn die große Pensionierungswelle beginnt. 60.000 LehrerInnen sollen bald pensioniert werden. Dass durch die aktuelle Debatte potenzielle Junglehrer "nur ja nicht vergrault" werden, wünscht sich Hackl.

Christina Heinrich, ÖH-Vorsitzende an der PH-Wien und Lehrerin, kritisiert dass nicht klar ist, welche Lehrer - Pflichtschullehrer, Bundesbedienstete, Berufspädagogen oder alle - vom geplanten Aufnahmestopp betroffen sein sollen. Auch sei nicht klar, was sich Ministerin Schmied genau unter "zwei Stunden mehr" vorstellt, ob nun darunter Unterrichtsstunden oder Freizeitbegleitung zu verstehen seien. "Zwei Stunden mehr Unterricht bedeuten sechs Stunden mehr Arbeit. Und sechs Stunden mehr arbeiten ohne Gehaltserhöhung, das grenzt fast schon an eine Entmündigung", kritisiert Jens-Fredrik Maier, der im Juni seine Ausbildung als Volksschullehrer abschließen wird.

Große Verunsicherung

Die StudentInnen an der PH seien sehr verunsichert, sagen Maier und Heinrich. Auch aufgrund der schlechten Informationslage sei es "schwierig, die Verunsicherung wieder rauszukriegen. Das ärgert mich", berichtet Heinrich. "Die, die hier sind, werden sich durchbeißen. Aber Maturanten, die jetzt diese ganzen Diskussionen mitbekommen, werden es sich sehr gut überlegen, ob sie überhaupt noch Lehrer werden wollen", befürchtet Maier.

Dass Lehrer in der Öffentlichkeit oft als faul dargestellt werden, stört Maier und Heinrich. Sie versuchen, in ihrem Freundeskreis Aufklärung zu betreiben. Aufgrund des vermeintlich geringen Arbeitsaufwands haben sie ihre Berufswahl jedenfalls nicht getroffen. "Die klassische Familie gibt es heute nicht mehr, und die Anforderungen der Gesellschaft an die Kinder sind unermesslich hoch", sagt Maier. Deshalb müssten viele Aufgaben, die früher die Eltern erfüllten, von den Lehrern übernommen werden. Das betreffe auch die sportliche Betätigung: "Früher ist der Bub mit dem Papa am Abend Fußballspielen gegangen, aber dazu hat der Papa heute keine Zeit mehr".

Zukunftsschule

Was muss man tun, damit unsere Schulen auch in Zukunft den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden? "Die Lehrerausbildung muss sich verlängern. Es muss mehr Geld für innovative Schulversuche bereit gestellt werden. Starre Strukturen im Unterricht müssen aufgebrochen werden", sind nur einige der Anliegen, die die angehenden LehrerInnen vorbringen. Visionen, die übrigens auch aus dem Mund der Bildungsministerin schon mehrfach zu vernehmen waren. Wer weiß, vielleicht können Annika Siberts Töchter eines Tages in eine Schule gehen, die ihren Vorstellungen der modernen Pädagogik entspricht. (Katrin Burgstaller/derStandard,at, 25. März 2009)