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Soll mit der Veröffentlichung der Zilk-Akten dem früheren tschechischen Präsidenten Václav Havel (re.) geschadet werden? Der Historiker Oliver Rathkolb vermutet das zumindest.

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Wien/Graz - Für den Bundeskanzler ist die Sache klar. Eine Historiker-Kommission zur Akte Helmut Zilk sei verzichtbar. Damit würde nur der Eindruck erweckt, an den Spionagevorwürfen sei etwas dran, sagte Kanzler Werner Faymann (SP) am Dienstag nach dem Ministerrat. Vizekanzler Josef Pröll kann sich hingegen nach wie vor eine Untersuchung der Causa vorstellen.

Seit das Nachrichtenmagazin profil neue Dokumente vorgelegt hat, die bestätigen sollen, dass der im Vorjahr verstorbene Wiener Ex-Bürgermeister von 1965 bis 1968 gegen Geld für den CSSR-Geheimdienst gearbeitet hat, gehen die Wogen hoch.

Auch Historiker sind sich nicht einig, was man vom Akt des tschechoslowakischen Geheimdienstes halten soll. Der Kreisky-Biograf und Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Uni Wien, Oliver Rathkolb, äußerte im Standard-Gespräch den Verdacht, dass in Tschechien mit der Veröffentlichung "Politik gemacht wird" . Er verweist darauf, dass der Zilk-Akt vor der profil-Geschichte bereits in der tschechischen Zeitung Mlada fronta Dnes publiziert wurde. "Das war kein Zufall. Das ist eine gezielte Aktion, bei der es primär darum geht, die Glaubwürdigkeit und das Renommee von ExPräsident Václav Havel zu beschädigen." Der Hintergrund: Havel hat sich beim Zilk-Begräbnis für die bereits 1998 und 1999 geäußerten Spionagevorwürfe entschuldigt. Rathkolb: "Das hat viele gestört."

Er warnt daher trotz der umfassenden Akten vor vorschnellen Schlüssen. "Ich habe das Zilk-Dossier bereits in den 90er-Jahren in Auszügen gesehen, es aber nicht verwendet, weil es mir zu widersprüchlich war." Und Widersprüche gibt es in der Causa tatsächlich einige. So hat einer der vermeintlichen Verbindungsmänner Zilks, Ladislav Bittmann, am Montag betont, der damaligen ORF-Direktor Zilk habe nie Geld bekommen. Ähnliches hat Bittmann, der in den 60er-Jahren in Prag in der Geheimdienstabteilung "Desinformation" war, auch bereits 1998 zu Protokoll gegeben. Er vermutete damals eine Intrige früherer Geheimdienstmitarbeiter. "Die haben sehr viel Erfahrung im Vernebeln."

"Ein naiver Informant"

"Irritierend" ist für Rathkolb auch, dass Zilk, "der mit allen Wassern gewaschen war" , die Zahlungen bestätigt haben soll. "Das sind alles merkwürdige Facetten." Und noch etwas stört Rathkolb: "In Prag wird Zilk als Doppelagent dargestellt, der auch für die USA gearbeitet hat. In Wien geht's nur um den CSSR-Geheimdienst."

Rathkolbs Kollege, Siegfried Beer, sieht die Causa Zilk wesentlich drastischer. Beer leitet an der Grazer Universität das "Austrian Center of Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS)" .

Für den Geheimdienst-Historiker ist Zilk ohne Zweifel für die Tschechoslowakei tätig gewesen. Beer im Standard-Gespräch: "Für mich war Zilk, was andere auch waren: ein Informant, der aus Geldsorgen für Informationen Geld genommen hat. Er war ein naiver Informant, der lange nicht wusste, mit wem er es zu tun hatte. Irgendwann merkte er aber, dass er da in gefährlichen Gefilden gelandet ist. Meiner Ansicht nach waren diese 5000-Schilling-Zahlungen keine Kinkerlitzchen. Das war damals das Doppelte oder Dreifache des Durchschnittseinkommens. Das soll man nicht bagatellisieren."

Ihm sei im historischen Kontext der "Causa Zilk" eines "besonders wichtig" : 1969, als Zilk aufgehört habe, Informationen zu liefern, "gab es einen Fall in Österreich, wo ein Beamter des Bundeskanzleramtes vom Schreibtisch weg verhaftet wurde, weil er genauso wie Zilk sich öfters mit einem Kulturattaché getroffen hat. Aber dieser Herr hat für die Informationen, die er über Jahre gegeben hat, nie Geld bekommen - ist aber zehn Monate im Häf'n gesessen."

Der Chef des Grazer Geheimdienst-Forschungszentrums: "Hätte Zilk wie der Beamte im Bundespressedienst an seiner Arbeitsstelle einen Intimfeind gehabt, wäre er unter Umständen auch in diese Situation gekommen - und hätte noch dazu das Problem gehabt, dass er Geld genommen hat." (Walter Müller, Günther Oswald/DER STANDARD Printausgabe, 25. März 2009)