Anne T.: Die Gier war grenzenlos. Eine deutsche Börsenhändlerin packt aus", Econ Verlag, 240 Seiten, 18,00 Euro

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Hirnforscher haben herausgefunden, dass die Gier nach Geld ein ähnliches Suchtpotenzial aufweist wie Kokain. Von A wie Anne bis Z wie Zocker beschreibt die Buchautorin als Insiderin die Welt des Investment-Bankings in einer großen deutschen Bank. "Die Gier war grenzenlos" von Anne T. ist ein schonungsloser Blick in die Welt der Broker, wo Zynismus, Emotionslosigkeit und die Gier nach Geld und noch mehr Boni den Alltag beherrschen. Es ist ein Ausflug in eine Welt, in der hochbezahlte Banker mit Derivaten oft schwindelerregende Produkte konstruieren, die selbst das bankeninterne Risikomanagement nicht durchschaut.

Ohne Rücksicht auf den Anleger werden die Derivate dem naiven Privatanleger verkauft, auch wenn die Oma ums Eck mit ihren Ersparnissen dabei hopsgehen sollte - für die Broker alles egal, solange die Millionen an Sonderzahlungen fließen. Vor diesem Hintergrund sind die Terroranschläge im Jahr 2001 ein gefundenes Fressen für die nach Geld dürstenden Banker, gilt es doch, Anleihen in der Panikstimmung zum bestmöglichen Preis auf den Markt zu werfen, um sie dann zu Billigstpreisen zurückzukaufen. Die Zahl auf dem Bonus-Zettel ist dann "besser als Sex", wie es die Buchautorin ausdrückt. Der Rausch nach noch mehr Profit lässt den Privatanleger zum "Blödmann" werden, die Wild-West-Manier der Banker schreckt vor Einzelschicksalen in keinster Weise zurück.

Ironischerweise sind es gerade diese fragwürdigen und risikoreichen Angebote, die von Finanzpresse und Anlegern als große Innovation wahrgenommen werden. Lebendig und authentisch schildert die Bankerin die Diskrepanz zwischen Kundenorientierung und unersättlicher Profitgier - dem Verhalten eines „Raubtiers" gleich - und was die Broker wirklich antreibt. Der Bericht von T. wirft ein neues Licht auf testosteronbesessene Männer und Mechanismen in der deutschen Bankenszene und durchleuchtet dabei auch die Strukturen, die für den internationalen Finanzcrash mitverantwortlich sind.

Einmal „Blut geleckt" gibt es auch für T. keinen Halt mehr. Immer mehr verfällt sie dem Rausch des sechsstelligen Gehalts und rutscht ungebremst in die von ihr anfangs noch verteufelte Szene ab, bis ihr der Ausstieg gelingt. Bis es soweit kommt, erträgt sie nicht nur den stressigen Alltag in einem Handelsraum, untergriffige und frauenfeindliche Witze und ein Klima, das mitunter einem Kindergarten gleicht. Sie seziert in ihrem Buch den Mikrokosmos der Broker, die walten und schalten, ohne für etwaige Fehlentscheidungen zur Verantwortung gezogen zu werden und erklärt ganz nebenbei die komplex vernetzte Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte, die letztlich mit dem Aus von Lehman Brothers zu deren Zusammenbruch geführt haben. (Sigrid Schamall)