Gratis, nicht umsonst - Gehen Sie auf Google und geben Sie den - zugegeben recht umgangssprachlichen - Begriff bad ass mother fucker ein. Klicken Sie nicht wie gewohnt auf Google Search, sondern auf die I'm Feeling Lucky-Suche. Laut Visitenkarte, die in den Ausstellungsräumen der Advanced Minority Galerie  (Westbahnstraße 22, Wien) aufliegen, gelangen Sie nun umgehend auf die Webseite von Evan Roth. Es funktioniert! Der US-amerikanische Künstler und Mitbegründer des Graffiti Research Lab, zeigt in der Ausstellung mit dem programmatischen Titel Available Online for Free eine Auswahl seiner Kunstwerke zwischen Straßen-, Internet- und Medienkultur.

Foto: Evan Roth / advanced minority

Hexadezimalportrait - Die Google-Suche nach Evan Roth, der im Netz das Pseudonym "badass" verwendet, wurde vom Künstler selbst durch so genanntes Google-Bombing manipuliert. Neben der Dokumentation derartiger Aktionen, sind in der Galerie auch Computer- und Audioinstallationen, Netzkunstwerke, Digitalprints aber genauso Malereien zu sehen. So etwa eine hellgrüne monochrome Fläche, auf der im selben Farbton die Buchstabenfolge #BADA55 (2008) als Relief geschrieben steht. Wieder handelt es sich um das Künstlerpseudonym, dieses Mal jedoch ersetzt die Zahl "5" den Buchstaben "S". Netzjargon überträgt Evan Roth auch bei #BADA55 in a can (2008) in Hexadezimalzahlen und materialisiert seinen aus dem Web-Farbton resultierenden Namen im realen Raum.

Foto: Evan Roth / advanced minority

Unfreiwillige Selbstkontrolle - Der gesamte Ausstellung legt eine gewisse Affinität des Künstlers zu Schimpfwörtern offen: Explicit Content Only (2008) etwa ist die Wiederaufnahme des Ende der 1980er Jahre erschienenen Gangsta-Rap Albums Straight Outta Compton der Westcoast-Rapper von N.W.A. - In der Hörstation im Zentrum der Galerie kann man sich das ganze Album zu Gemüte führen, allerdings lässt die Aufnahme ausschließlich jene Wörter ans Ohr dringen, die von US-amerikanischen Radiostationen in der Regel mittels "Beep" zeniert werden. Ähnlich auch der fein säuberlich gerahmte Text des N.W.A.-Tracks Fuck tha Police, in dem Schimpfwörter gelb markiert und somit hervorgehoben wurden.

Foto: Evan Roth / advanced minority

Stille Schriftanalysen - Unter den rund 30 teils recht unterschiedlichen Positionen, die in der Adavanced Minority Galerie zu sehen sind, finden sich auch eine ganze Reihe stillerer Arbeiten. Evan Roth beschäftigt sich in Graffiti Taxonomy (2008) nicht mit dem Inhalt von Schimpfwörtern, sondern mit ihrer Schriftform und Typografie. Auf quadratischen Papierbögen zeigt er einzelne Buchstabenreihen, die aus Tags, also den Schriftzügen von Graffiti-Künstlern der Lower East Side in New York extrahiert wurden. Er re-konstruiert dadurch eine Art "Alphabet der Straße", das er in regelmäßigen Plakatieraktionen auch jenen Orten wieder zurückgibt, denen es ursprünglich entstammt: Hauswände, Straßenlaternen, Eingangstüren.

Foto: Evan Roth / advanced minority

Temporäre Interventionen - In erster Linie ist Evan Roth durch das gemeinschaftliche Projekt L.A.S.E.R Tag (2008) mit James Powderly und Theo Watson bekannt. Mit dem selbst gebauten Computer des Graffiti Research Lab, wie sich die Gruppe auch nennt, können Hauswände, Brückenpfeiler und sonstige Fassaden durch die Adaption von Laser- und Videotechnologien temporär beschrieben werden. Die Maschine, die in einer Auflage von fünf Stück existiert, ist mittlerweile Teil der permanenten Sammlung des renommierten Museum of Modern Art (Moma) und wurde 2007 auch bei der Ars Electronica sowie in der Tate Modern gezeigt.

Foto: Evan Roth / advanced minority

Entmanipulierungen - Die Auswirkungen zeitgenössischer Technologien auf die Bildproduktion ist Thema der Arbeit DeTouch. Evan Roth bedient sich bei dieser Form der Entmanipulierung von Bildmaterial frei im Internet zugänglicher Portfolios von Fotografen, die sich in ihrer Tätigkeit auf das Retouschieren von Bildern  spezialisiert haben. Die Open Source Programmiersprache Processing dient ihm dazu, Pixel für Pixel die einzelnen Arbeitsschritte zu rekonstruieren, denen Bilder auf ihrem Weg vom Fotoapparat in Modemagazine unterzogen wurden. Das Endergebnis besteht aus einem Vorher-/Nachherspiel, das auch alle Arbeitsschritte dazwischen visualisiert.

Foto: Evan Roth / advanced minority

Verkaufsausstellung "for free" - Die Ausstellung Available Online for Free ist gekoppelt an einen Künstlerkatalog, der - natürlich, und genau wie alle gezeigten Arbeiten - auch zum kostenlosen Download im Netz erhältlich ist. Bei all der künstlerischen Auseinandersetzung mit Themen wie Open Source, dem freien Zirkulieren von Inhalten im Netz und einer kritischen Haltung dem eigenen Mediengebrauch gegenüber bleibt Evan Roths Personale im Kunstraum von Advanced Minority aber eine Verkausausstellung. Ähnlich wie auch die Visitenkarte des Künstlers auf der Rückseite dann doch Namen, Adresse und Kontakt verzeichnet. (fair)

Bis 26.03
Westbahnstraße 22, 1070 Wien
www.advancedminority.com

Foto: Evan Roth / advanced minority