Wolfenstein wird voraussichtlich im Juni für PC, PlayStation 3 und Xbox 360 erscheinen.

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Die Rückkehr der Mutter aller 3D-Shooter findet in schwierigen Zeiten statt. Während sich Herausgeber Activision mit einem neuen Trailer auf die Veröffentlichung Ende Juni "einschießt", mahnt der deutsche Bundespräsident Horst Köhler seine Bürger im Rahmen der Trauerfeier in Winnenden zur Einsicht. Das Staatsoberhaupt rief als Konsequenz aus den wiederholten Amokläufen an deutschen Schulen zum freiwilligen Verzicht auf gewalttätige Videos und Computerspielen auf: "Sagt uns nicht der gesunde Menschenverstand, dass ein Dauerkonsum solcher Produkte schadet?"

Mutanten und Okkulte

Die Geschichte Wolfensteins ist exemplarisch für die Gewaltspieldebatte in der Bundesrepublik. Sowohl der erste Teil, als auch das vorerst letzte erschienene Kapitel "Return to Castle Wolfenstein" wurden in Deutschland indiziert. Die Fiktion, wonach Nazi-Wissenschaftlern es 1943 gelingt, König Heinrich I durch okkulte Rituale auferstehen zu lassen, um durch ein dunkles Reich Hitler zum Endsieg zu verhelfen, schien im Kontext eines Computerspiels, in dem der Spieler als britischer Geheimagent gegen das dritte Reich kämpft, den Jugendschutzbehörden nach, nicht zumutbar. Ausschlaggebend dafür waren "ein hohes Maß an dargestellter Gewalt" sowie die Abbildung mannigfacher "Symbole des Nationalsozialismus" (die in der deutschen Fassung abgeändert wurden).

Fehlende Differenzierung

Dass gerade Spiele wie Wolfenstein auf dem Index landen, zeigt, wie wenig die zuständigen Behörden differenzieren. Mit seiner nicht besonders unterschwellig eingefädelten Karikatur des "Nazi-Uber-Soldaten", der mit dargestellter Stupidität ein Antikriegslied trällert und den Befehlen des Reichsministers "Wolgang Ungeschickt" oder des Offiziers "Merkwürdigliebe" gehorcht, wirkt Wolfenstein eher wie eine Quentin Tarantino-Parodie als die angeprangerten 0815-Killerspiele.

Besser noch die Schurkin "Helga von Braun": Als Oberhaupt Himmlers "Paranormaler Division" erweckt sie ein Monster, dem sie kurz darauf selbst zum Opfer fällt... So ein Spiel wird dann in einen Topf geworfen mit "Kriegsverherrlichungen" und "Hinrichtungsvideos".

Eindrücke

Wer sich selbst ein Bild vom Wolfenstein-Remake machen will, dem steht seit vergangenem Wochenende ein weiterer Trailer mit Spielszenen zur Verfügung:

Abermals ist es ein Werk, das sich an ein erwachseneres Publikum richtet. Dennoch wird sich auch Wolfenstein-Neu mehr an den Mythen und amerikanischen Frankenstein-Nazi-Fantasien orientieren, als im Windschatten des Soldaten James Ryan zu rudern.

Erneut schlüpft man in die Haut des Alliierten William Joseph "BJ" Blazkowicz, um an der Seite der Kameraden die Monster des dritten Reichs zu beseitigen – Geister inklusive. Entwickler Raven Software verspricht dabei weniger Liniearität als in den Vorgängern und mehr Raum für taktisches Feingespür.

Umgesetzt wird das Spektakel mit der etwas angestaubten Quake IV-Engine.

Überraschung oder Enttäuschung

Ziemlich genau 16 Jahre seit der Premiere des Kultspiels werden ins Land gezogen sein, wenn die Neuauflage im Juni erscheint. Ob der Release dann wieder vom Hype seiner Vorgänger begleitet wird, dürfte wohl auch davon abhängen, wie laut die Stimmen nach Indizierung schreien. So wird es möglicherweise egal sein, ob Wolfenstein nach so langer Zeit und mehreren Dutzend Weltkriegsshootern spielerisch tatsächlich noch aufregen kann – für Wirbel dürfte dank der tobenden Konservativen gesorgt sein. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 23.3.2009)