Sind die Anstrengungen der Europäischen Union zur Konjunkturankurbelung wirklich Peanuts, wie der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger meint? Und hinkt Europa im Kampf gegen die Rezession tatsächlich so weit den USA hinterher, wie Präsident Barack Obama und Nobelpreisträger Paul Krugman kritisieren?

Eines vorweg: Die Konjunkturpakete sind nicht einfach mit einer Zahl zu beschreiben. Auch wenn es plastisch klingen mag, dass die Vereinigten Staaten 5,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Belebung ihrer Wirtschaft pumpen, Europa hingegen nur 3,3 bis vier Prozent mobilisiert: Derartige Vergleiche hinken nicht nur, sie weisen auch in eine falsche Richtung. Denn der Wettlauf um den größeren Stimulus schürt die Angst vor dem Staatskollaps und somit die Vertrauenskrise - und bewirkt somit genau das Gegenteil des eigentlichen Ziels.

Derzeit fällt es den Kritikern leicht, neben den EU-Regierungen die Europäische Zentralbank zu tadeln, die sich beständig gegen das Einschalten der Notenpresse wehrt. Doch ist es wirk- lich der Weisheit letzter Schluss, wenn die US-Notenbank eine weitere Billion in Ramschpapiere und Staatsanleihen pumpt und damit eine Spirale an Währungs- und letztlich Geldentwertung auslöst? Auch wenn Maßnahmen zur Krisenbekämpfung rasch erfolgen müssen - mit Panikreaktionen ist niemandem gedient.

Angela Merkel ist somit zu beglückwünschen, dass sie beim EU-Gipfel die Ausgabenkaiser einbremste und den von Brüssel direkt finanzierten Infrastrukturausgaben enge Grenzen setzte. So sollen die vereinbarten fünf Milliarden an Investitionen möglichst zeitnah in Energie- und Breitbandnetze gepumpt werden, was den mit der Berücksichtigung der Gaspipeline Nabucco gefeierten österreichischen "Erfolg" ziemlich relativiert. Das Projekt ist noch viel zu unreif, als dass nennenswerte Beträge kurzfristig losgeeist werden könnten.

Gemeinsam mit dem ambitionierten Vorhaben zur neuen Finanzmarktkontrolle kommen vom EU-Gipfel zwar keine spektakulären, aber - was viel wichtiger ist - solide Ansagen. Die größte Gefahr - so lehrt die Geschichte - droht nämlich von falschen Maßnahmen. So konnte sich die Rezession der 30er-Jahre erst durch Währungsabwertungen und Zollanhebungen zur Großen Depression entfalten. Dass laut Weltbank 17 der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) trotz gegenteiliger Bekundungen in den letzten Monaten protektionistische Maßnahmen ergriffen haben, kann als Warnung nicht ernst genug genommen werden.

Trotzdem überwiegen im Vorfeld des G20-Gipfels Anfang April die positiven Signale. Der Kampf gegen Steueroasen und die Beseitigung falscher Regulierungen für Bankenkapital und Bilanzierungen, die den Abschwung beschleunigen, sind die richtigen Stoßrichtungen. Die Etablierung einer strengen Aufsicht über sämtliche Finanzprodukte und -marktteilnehmer ist ebenfalls hoch an der Zeit, wenngleich noch Detailarbeiten auf die Entscheidungsträger zukommen.

Die Krise hat den Regierungen die Augen geöffnet. Als Feuerwehr, nach der Experte Bofinger schreit, dienen die EU-Maßnahmen wegen ihres langfristigen Charakters tatsächlich nicht. Doch Löschaktionen kämen jetzt ohnehin zu spät, die tiefe Rezession ist unvermeidlich. Jetzt muss sich Europa mit aller Kraft um den Wiederaufbau kümmern. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.3.2009)