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ORF-Chef Wrabetz präsentierte sein Strategie- und Strukturkonzept 2015.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

232 Seiten zählt das Strategiepapier von ORF-Chef Alexander Wrabetz (Wortlaut), plus 162 Seiten Anhang der Direktoren. Ein Potpourri bisheriger Pläne, zum größten Teil vom STANDARD berichtet. Manche Punkte klingen bei näherer Betrachtung recht radikal. 

- Nur das Kerngeschäft sollen ORF-Angestellte betreuen, Inhalte/Programm produzieren. Alles andere, (Lohnverrechnung bis nicht aktuell genutzte Schnittplätze) sollen Zentrale und Landesstudios auslagern. In Töchter oder an Firmen ohne ORF-Beteiligung, die auch Private nutzen können. Von 3400 Angestellten des ORF (ohne Töchter) macht heute grob die Hälfte Programm. 2700 sollen es 2015 sein.

- Starke Senderchefs auch im Fernsehen. Sie sorgen, dass etwa ORF1 klar jung, urban, männlich, international positioniert ist; ORF 2 österreichisch und älter. Sie bestellen quasi bei den Redaktionen passende Programme für ihren Kanal. Sendungschefs wiederum sollen auch Budgetverantwortung haben.

- Eine zentrale Redaktion beliefert TV, Radio, Online, Teletext.

- Kollektivvertrag neu und einheitlich, Vergünstigungen alter Verträge beenden, flexiblere Arbeitszeiten. Eine "Bombe" für den Betriebsrat, finden Insider. Das sieht Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser ganz ähnlich. Er lehnt das "Blut-, Schweiß- und Tränenkonzept" ab. Also noch ein Gegner für Wrabetz' Konzept im Stiftungsrat des ORF.

- Pensionierung von 250 vor allem Besserverdienern geht weiter, 190 Mitarbeiter sollen mit Golden Handshake verabschiedet werden.

- Weniger Direktoren: Das Konzept geht von vier statt sechs Direktoren aus: für TV, Radio, Finanzen und Technik (als Technologiedirektion; der TV-Produktionsbetrieb bleibt dort vorerst). Darüber ein General mit Weisungsrecht. Das Recht will die Regierung nicht, will Finanzen und Technik zusammenlegen. Wrabetz sagt dem STANDARD, er beantrage für 2. April keine Abwahl von Direktoren: "Der Plan geht von der nächsten Geschäftsführungsperiode aus." Regulär ab 2012; SP und VP wollen 2010 neue ORF-Chefs.

- Weniger Leiter: Weiter soll der ORF ein Viertel des mittleren Managements einsparen. Weniger Hauptabteilungen im TV, keine im Radio.

- Selbst produzieren sollen künftig auch TV-Redakteure und auf Gestalter, Cutter verzichten. Laut Betriebsrat jenseits der Belastbarkeit.

- Videojournalisten, rotes Tuch in der ORF-Zentrale, drehen selbst.

- Die Landesstudios sollen bleiben, aber mehr für ORF 2 produzieren, mit rund 100 Jobs weniger.

- Billig wie der Markt soll der ORF insgesamt produzieren, derzeit liegt er laut internen Schätzungen rund ein Viertel über deutschen Kosten.

- Spartenkanäle für Sport und neu für Info/Kultur (statt TW1) sowie zwei Stunden tägliches Programmfenster auf dem Kinderkanal von ARD und ZDF will der ORF laut Papier betreiben. 

- 100 Prozent der Gebühren reklamiert der ORF neuerlich für sich. Derzeit gehen 228 Millionen an Bund und Länder. Der Bund möge dem ORF die knapp 60 Millionen Euro für Gebührenbefreiungen abgelten. 

- Werbung will der ORF weiter. Aber, sagt ein ORF-Grande: "Wir brauchen nicht mehr Werbung."

Als Ziele definiert das Papier: Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit, Vielfalt, Kreativität und Fairness.

Für 2. April beantragt Wrabetz die Auslagerung von Radio-Symphonieorchester (in eine GmbH), Gebäudemanagement und der Ausstattung (Bühnenbilder etc.). Betrifft 200 ORF-Mitarbeiter. Lehnt der Betriebsrat weiter ab.

Kanzler und Medienstaatssekretär wollten sich Freitag nicht zum Konzept äußern. VP-Stiftungsrat Franz Medwenitsch fand es "quantitativ ambitioniert" , aber "ohne Überraschungen". SP-Pendant Karl Krammer sah darin "viel Arbeit".  (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.3.2009)