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Vorsatz zu Fitness und Umsetzung klaffen auseinander.

Foto: APA/Gisela Aulfes

Die Ankündigung klang toll. Denn wenn das, was der Sportartikelkonzern Reebok Ende Februar in Miami verkündete, stimmt, brechen wundervolle Zeiten an. Reebok hat es demnach geschafft, das Grundproblem aller Menschen zu lösen, die sich gerne bewegen würden, die es aber nicht schaffen, sich aufzuraffen - und vom "Couchpotato" zum "frustrierten Couchpotato" werden: Mit schlechtem Gewissen futtert man Kummerspeck noch rascher an.

Reebok aber will das Patentrezept gefunden haben, das (vor allem) Frauen davor gefeit macht, nach ein paar pflichtschuldig-lustlos durchlittenen Aerobic- oder Trainingseinheiten, aufzugeben. Die Antwort auf alle Workout-Motivations-Waterloos klingt einfach: "Wir bringen den Spaßfaktor zurück ins Fitnessstudio", verkündete man in Miami vollmundig. Und dafür hat man nicht nur ein neues Fitnessgerät ("Fly Set") samt Programm ("Jukari Fit to Fly") entwickelt (siehe Kasten): Man untermauerte die Präsentation des Fitness-Ei-des-Columbus mit Studienmaterial, das viel Grundlegendes über die Verbreitung des inneren Schweinhundes bei Frauen verrät.

Wille und Weg

Im Zuge einer 2008 von GFK bei 15.000 Frauen in 25 Ländern durchgeführten Umfrage wurde demnach erhoben, dass mehr als die Hälfte der Befragten über die Notwendigkeit und die Bedeutung von Fitness und Bewegung zur Gesundheitserhaltung Bescheid weiß. Doch lediglich ein Viertel gab an, halbwegs regelmäßig Sport zu treiben.

Eine vertiefende Studie (2864 Probandinnen in den USA, Großbritannien und China) ergab dann, dass sich vor allem rund um den Jahreswechsel fast zwei Drittel der Frauen (64 Prozent) vornehmen, mehr (oder überhaupt) Sport zu treiben. Schon zwei Monate später haben mehr als die Hälfte - genau genommen sind es 57 Prozent - diesen Vorsatz allerdings wieder aufgegeben.

Zwölf Prozent halten ein halbes Jahr durch - und lediglich jede 25. Frau (vier Prozent) schafft es, den Vorsatz während eines ganzen Jahres zu leben.

Für das Aufgeben gibt es unabhängig von der Durchhaltezeit einen Hauptgrund: 54 Prozent meinen, dass Training "oft wie eine lästige Pflicht" sei. Und "ich würde öfter trainieren, wenn es mehr Spaß machen würde" unterschreiben fast zwei Drittel der Befragten (61 Prozent).

Ergo tat der Hardware-Hersteller, was seinem Geschäft entspricht: Er erfand ein neues Tool. Und das bringt eben "den Spaßfaktor" zurück ins Training. Sagt die PR-Abteilung.

Berühmter Schweinehundzyklus

Aber stimmt das auch? Roman Daucher schüttelt den Kopf: "Ein neues Gerät kann fehlende Motivation nicht ersetzen." Die Studien, so der Leiter der "Eurofitness Academy" (eines Verbandes von Trainern, Sportwissenschaftern und Gesundheitsexperten), untermauern aber bekanntes Fitness-Frust-Wissen mit neuen Zahlen. Doch die damit präsentierte "Lösung" sei keine - sondern in Sachen dauerhafte Motivation "bloß ,more of the same'": Fast jedes Fitness-Programm sei als Tausendguldenschuss wider den inneren Schweinehund angepriesen worden, weiß Daucher. Aber nachhaltig zur Bewegung motivieren konnte bisher keines.

Mehr noch: Der "Schweinehundzyklus" kennt Haupt- und Nebensaison. "Im Jänner schreibt man sich im Fitnesscenter ein - und im März und April sind die Kündigungsraten am höchsten. Fast 50 Prozent der neuen Mitglieder sind nach einem Jahr wieder weg", weiß Daucher. Und: "Wer zum Sport mehr als 500 Meter gehen muss, geht nicht hin."

Erfolgsträchtig wären daher am ehesten Sportprogramme in Betrieben. Und zwar tatsächlich "im Betrieb": In-House-Programme, so der Trainer, hätten oft Teilnehmerquoten von mehr als 40 Prozent. Die Drop-out-Quote läge unter einem Drittel. Nachsatz: "Aber auch nur, wenn man permanent trommelt." Doch wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter stattdessen ins Fitnessstudio schicken, "machen keine zehn Prozent mit".
Nur nicht spontan sporteln

Im Kampf mit dem inneren Schweinehund, ergänzt der Motivationstrainer Wolfgang Fasching, käme noch ein weiterer Faktor zum Tragen: "Niemand will hören, dass Hürden und Blockaden normal sind." Die Folge, so der Mehrfachabsolvent des Nonstop-Radrennens "Race Across America", sei, "dass jedes Straucheln als schwerer Treffer erlebt wird - und man nicht wieder aufsteht." Um "vom Wollen ins Tun" zu kommen, rät Fasching zu Gruppen- und Termindruck: ",Morgen' ist kein Termin, sondern eine Ausrede." Darüber hinaus, so der Extremsportler, helfe unter anderem auch Bürokratie: "Intensität, Zeit und Ziele zu protokollieren, und das alles ständig zu evaluieren, macht Erfolge messbar."

Faschings Empfehlungen schließt sich der Salzburger Sportpsychologe Günter Amesberger an: "Erreichbare Ziele sind essenziell - sonst ist Frust vorprogrammiert. Und: Was keinen Spaß macht, macht man nicht lange." Darüberhinaus gelte es, "klare Wenn-dann-Strukturen zu etablieren. Ohne klare Prioritäten hat man immer 1000 Ausreden, sitzen zu bleiben." Und Spontaneität, bedauert der Psychologe, sei hier kein Asset: "Gewohnheiten lassen sich nur mit einem genauen Plan bekämpfen. Idealerweise mit fachkundiger Beratung."

Domestizierbarer Sport

Wunder, schränkt der Wiener Freizeitforscher Peter Zellmann aber ein, dürfe man sich von alldem keine Erwarten. Denn die Bevölkerung teile sich in drei etwa gleich große Gruppen: Eine treibt Sport, eine würde gern und tut gelegentlich - und die Dritte ist für alle Angebote unerreichbar. Zellmann: "Die einzige Methode, den inneren Schweinhund effizient zu bekämpfen, ist ihn von klein auf zu domestizieren: Die Fitnessindustrie kann kurzfristig Aufmerksamkeit erregen - aber solange Sport und Bewegung im kindlichen Alltag und in der Schule nicht massiv aufgewertet werden, können die Erwachsenen später tun, was sie wollen: Sie werden den Kampf verlieren."  (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe, 23.03.2009)