Ein typisches "Fräulein": die Schauspielerin Elke Sommer.

Foto: Standard/Sündhofer

Unangreifbar aber doch attraktiv, unschuldig, aber dennoch tiefgründig - und vor allem anderen: ledig. So hatte es das Fräulein (frz: mademoiselle, engl.: miss) in Europa durch die Jahrhunderte geschafft, in der Literatur wie in den Niederungen der Realität. Von den untadeligen, adeligen Damen in früheren Jahrhunderten hin zu den weit lasziveren Vertreterinnen des "Fräuleinwunders" à la Elke Sommer in den 1950ern hatte es seine Existenz zäh verteidigt.

Doch jetzt soll es mit dem Fräulein zu Ende gehen, und daran ist die EU schuld. Für die Union sind alle BürgerInnen gleich, was selbst geschlechtsspezifische Anreden wie "Frau" oder "Herr" im EU-Parlament überflüssig zu machen scheint. Und unfreiwillige Andeutungen über den Personenstand, wie sie der verkleinernden Bezeichnung für Angehörige des weiblichen Geschlechts innewohnt, erst recht.

Damit schließt sich - zumindest auf dem Papier - ein langes Kapitel der europäischen Sittengeschichte. Seinen Anfang nahm es noch vor dem 19. Jahrhundert, als die Bezeichnung "Fräulein" den Töchtern von Fürsten reserviert war - parallel zum "Junker", der für den fürstlichen Sohn galt. Als unverheiratete Frauen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zunehmend arbeiten gehen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, übersiedelte das "Fräulein" von den Höfen in die Warenhäuser und in die Wirtsstuben. In der Gastronomie ist es bis heute hängengeblieben, was derzeit zu wahren sprachlichen Ausfallserscheinungen führt. Denn eine Kellnerin ist keine "Frau Oberin" und wurde auch sicher nicht auf den Namen "Entschuldigung" getauft.

Andernorts sollte die Lücke, die das Fräulein hinterlässt, inzwischen nicht mehr allzu stark schmerzen. Bereits die frauenbewegten 1970er- und 1980er-Jahre hatten die Versächlichung der Weiblichkeit schwer ins Wanken gebracht. 1981 dann veröffentlichten vier deutschsprachige Linguistinnen ihre "Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs". Sie empfahlen den vollständigen Verzicht auf den Gebrauch des Wortes, das so zum Unwort avancierte. 1993 schloss sich die deutsche Unesco-Kommission dieser Sichtweise an.

Den Rest erledigten dann die zunehmenden Rationalisierungsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Sie brachten die vielseitiger einsetzbare "Frau Sachbearbeiterin" auf den Vormarsch. Denn welcher durchschnittliche Chef, welche Chefin eines Unternehmens kann sich heute noch ein "Fräulein" im Vorzimmer leisten? (Irene Brickner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.3. 2009)