Die Kommunikationswissenschaft am Salzburger Rudolfskai steht vor einem Problem: Für Herbst wird eine Verdopplung der Anfängerzahlen befürchtet.

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Michael Schmolke, Heinrich Schmidinger, Alexandra Föderl-Schmid und Elisabeth Klaus freuten sich trotzdem über das 40-Jahr-Jubiläum.

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Eine der größten Bildungs- und Forschungseinrichtungen im Medienbereich, der Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Uni Salzburg, steht vor großen Problemen: Durch den Wegfall der Zugangsbeschränkungen und der Studiengebühren droht im Herbst eine Verdopplung der Anfängerzahlen von bisher 280 auf bis zu 550. "Das ist schon allein räumlich nicht mehr zu bewältigen", sagt Fachbereichsleiterin Elisabeth Klaus. Sie forderte daher am Dienstagabend anlässlich einer Festveranstaltung zum 40-jährigen Bestehen der Einrichtung zwei zusätzliche Professuren. Ihre Mitarbeiter arbeiteten "seit Jahrzehnten unter Überlastbedingungen", klagte Klaus.

21 Mitarbeiter für 1500 Studierende

Die Kommunikationswissenschaft habe schon jetzt das zweitschlechteste Betreuungsverhältnis der Universität, sagte Rektor Heinrich Schmidinger. Noch schlechter liege nur die Erziehungswissenschaft, am dritten Platz stehe die Psychologie. Zur Zeit stehen den 21 wissenschaftlichen Mitarbeitern (davon fünf aktive Professoren) am Fachbereich etwa 1500 Studierende in Bakkalaureats-, Master- und Doktoratsstudiengang gegenüber.

Vier Schwerpunkte

Sie können sich zwischen den vier Schwerpunkten "Journalistik", "Public Relations und Unternehmenskommunikation", „"Audiovisuelle Kommunikation" sowie "Medienökonomie und internationale Kulturproduktion" entscheiden. Etwa 70 Lektoren sorgen für Praxisbezug. Viele von ihnen kommen aus Medienunternehmen wie ORF, Salzburger Nachrichten, Standard, ARD oder SevenOne Media sowie aus PR-Agenturen. In eigens eingerichteten Schnittstudios und einem Print- und Weblabor werden medienpraktische Fähigkeiten vermittelt. Von Studierenden gestaltete Sendungen laufen regelmäßig auf Salzburg TV, dem ORF-Radio Salzburg sowie im freien Sender Radiofabrik.

TV-Analysen als Forschungsschwerpunkt

Zu den Forschungsprojekten der Salzburger Kommunikationswissenschaftler gehören etwa die Fernseh-Programmstrukturanalysen im Auftrag der Regulierungsbehörde RTR oder Studien zur TV-Rezeption von Kindern und Jugendlichen. Auch Leseförderung in der Schule, Gesundheitskommunikation, kulturelle und soziale Veränderungen durch Tourismus, Medienpolitik oder Geschlechterverhältnisse in den Medien gehören zu den Untersuchungsgegenständen.

Föderl-Schmid: Medienethik forcieren

STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, selbst Absolventin des Fachbereichs, forderte in ihrem Festvortrag mehr Augenmerk auf medienethische Fragen in der Ausbildung und Forschung. Gerade angesichts der Berichterstattung um den Amstettner Inzest-Fall zeige sich, dass in Österreich "erschreckend" wenig Bewusstsein für Opferschutz herrsche.

Verschwimmende Grenzen

Aufgabe der Kommunikationswissenschaft sei es auch, „uns zu sagen: Was ist eigentlich Journalismus?", sagte Föderl-Schmid. Der so genannte "Bürgerjournalismus" im Web 2.0 könne professionelle Arbeit im Nachrichtengeschäft jedenfalls nicht ersetzen. Auch die Auswirkungen von Gratismedien auf den österreichischen Printmedienmarkt oder die verschwimmenden Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung im Onlinejournalismus seien lohnende Gegenstände für Forschung und Reflexion.

"Qualifizierte Abbrecher"

Sie selbst sei "der lebende Beweis, dass man auch als Absolventin dieses Fachbereichs etwas werden kann", sagte Föderl-Schmid. Tatsächlich sind viele ehemalige Kommunikationswissenschaft-Studenten heute erfolgreich in der Medienbranche tätig, darunter auch viele "qualifizierte Abbrecher", wie der langjährige Institutsvorstand Michael Schmolke anmerkte. Genaue Daten über die weiteren Karrieren der derzeit etwa 300 jährlichen Absolventen gibt es nicht; an einer Studie, die ihren Berufsweg untersuchen soll, wird momentan gearbeitet.

Geringe Dropout-Rate

Bis 1984 war ein Studienabschluss nur mit dem Doktorat möglich. Seit 2001 ist die Salzburger Kommunikationswissenschaft auf ein dreigliedriges System mit Bakkalaureat, Magisterium und Doktorat umgestellt. Besonders seit der Einführung einer Zulassungsprüfung 2005 seien die Abbrecherquoten rapide gesunken, berichtet Fachbereichsleiterin Klaus. Für Herbst denke man über eine erweiterte Studieneingangsphase nach; Knockout-Prüfungen werde es aber keine geben. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 19.03.2009)