Verzicht auf Effekte, Konzentration auf das Wesentliche: Pianist Till Fellner.

Foto: Heimo Binder

Wien - Ein bisschen etwas von einer freundlichen Sphinx hat dieser Till Fellner. Er antwortet leise, knapp, und kommt er in Fahrt, so nie über eine theatrale Eruption. Fellner bleibt der konzentrierte Formulierer, dessen dezente Zurückhaltung ein Rätsel zu hüten scheint. Der Verzicht auf Effekte, die Konzentration auf das Wesentliche einer musikalischen Aussage - die Attribute seines (auch mit Poesie und Leichtigkeit angereicherten) Spiels scheinen zur zweiten Natur geworden zu sein.

Wäre kein Wunder. Das Ringen um Interpretationsansätze muss abfärben; bis ein Werk "geknackt" ist, kann es dauern, wie der Pianist erläutert: "Ich reise immer mit einem Aufnahmegerät, nehme die Konzerte auf; und wenn ich ein Programm über zwei Monate spiele, hoffe ich, dass ein Punkt erreicht wird, an dem man das Gefühl hat: Es spielt sich gleichsam selbst. Wichtig ist die Balance zwischen Detailarbeit und Überblick. Wenn man nur bei Details verharrt, wird es pedantisch. Wenn man nur an den Schwung des Ganzen denkt, wirkt es grob, es fehlt die Verfeinerung. Das habe ich von Alfred Brendel gelernt."

Beim diesem Meisterpianisten holt sich Fellner, der einst den Clara-Haskil-Wettbewerb gewann und so erstmals international auf sich aufmerksam machte, nach wie vor Rat. "Er unterrichtet gerne von einem Flügel aus, ist nicht jemand, der lange Vorträge hält. Er spielt, singt oder dirigiert etwas vor. Er verlangt eine gewisse Selbstständigkeit, er war ja selbst eigentlich Autodidakt. Wenn ich ihm etwas vorgespielt habe, sagt er zunächst etwas Allgemeines zum Stück und zu meiner Darstellung und geht dann ins Detail. Am Anfang war ich überwältigt, da hat sich eine neue Welt aufgetan."

Identifikation mit dem Stück

Am Ende ist man jedoch als Interpret auf sich selbst zurückgeworfen. "Schwierige Phasen gibt es ständig. Eine gute Interpretation? Sie muss stimmig und zugleich aufregend sein. Bei mir stellt sich das Gefühl ein, wenn die inneren Notwendigkeiten eines Stückes entwickelt werden und sich der Interpret mit dem Stück identifiziert." Der Komponist stehe an erster Stelle. "Ich richte mich gegen exzentrische Interpretationen und auch gegen neutrale, langweilig-distanzierte. Zwischen diesen Polen liegt immer noch ein weites Feld. Man ist wie ein Schauspieler, der sich selbst vergisst und sich hineinlebt in das Stück. Man soll sich nicht vor das Stück stellen."

Zu alledem braucht es aber auch das passende Instrument. Deshalb verwendet der Wiener, Jahrgang 1972, viel Zeit darauf, zur Verfügung stehende Klaviere seinen Bedürfnissen anzupassen. "Das ist eine künstlerische Notwendigkeit. Die Instrumente verändern sich durch den Konzertbetrieb. Der eine Kollege wünscht sich den Flügel weicher, der andere wieder brillanter. Ich versuche, für jedes Konzert das passende Instrument auszuwählen. Beim Wiener Konzerthaus darf man davon ausgehen, dass alle Flügel in einem guten Zustand sind. Dann alles zusätzlich noch auf den Saal und das Repertoire abzustimmen, ist eine spannende Aufgabe - auch für den Techniker."

Den Ergebnissen kann man heute nachlauschen. Till Fellner spielt Beethoven-Sonaten. Sein glänzendes Bach-Spiel ist hingegen anhand der gerade erschienenen CD mit Inventionen zu studieren, die ECM herausgebracht hat. Zum Chef des Edel-Labels, Manfred Eicher, muss der Pianist ein ziemlich gutes Verhältnis haben: Wie Keith Jarrett braucht auch Fellner keinen schriftlichen Vertrag; eine mündliche Vereinbarung genügt. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe, 19.03.2009)

Konzerthaus Wien, 19.30