Walter Geyer hat einen undankbaren Job. Der Leiter der neuen Korruptionsstaatsanwaltschaft soll Verbrechen (genauer: Vergehen) bekämpfen, die vielerorts nicht als solche angesehen werden. Denn anders als sonst im Strafrecht wird bei den von ihm verfolgten Delikten das Gegenüber nicht geschädigt, sondern beschenkt - mitunter sogar ohne Absicht auf konkrete Gegenleistung.
Am 1. Jänner 2008 trat eines der mittlerweile am heftigsten diskutierten Gesetze, das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, nahezu unbemerkt in Kraft. Damit wurden einerseits Antikorruptionsregelungen für die Privatwirtschaft eingeführt, und andererseits die entsprechenden Straftatbestände für den öffentlichen Bereich massiv verschärft.

Scharf geschossen

Während anfänglich Ratlosigkeit und Irritation sowohl auf Beschenkten- als auch auf Geberseite herrschten - schließlich war man dadurch von heute auf morgen im Sinne des Strafgesetzbuches korrupt geworden - und die Staatsanwaltschaft lange Zeit inaktiv blieb, scheint nun scharf geschossen zu werden: So hat die Staatsanwaltschaft die zahlreichen VIP-Events für sich entdeckt und prüft laut Medienberichten aktuell Strafanzeigen gegen Manager öffentlicher Unternehmen und Regierungsmitglieder. Als Konsequenz drohen Sponsoren an der Kulturfront mit Entzug ihrer Freundlichkeiten und drängen damit österreichische Paradeveranstaltungen - so scheint es - an die Grenze der Existenz.
Mit dem Status quo zufrieden scheinen selbst die ausführenden Behörden nicht zu sein: So lässt Geyer anklingen, dass die Materie kompliziert sei, da es an Rechtsprechung fehle, und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner kündigt an, sie will die Bestimmungen bald überarbeiten.
Eine Überarbeitung ist auch bitter nötig. Denn die Krux mit den Antikorruptionsbestimmungen ist nicht deren Komplexität, wie ein kurzer Blick ins Gesetz erkennen lässt, sondern vielmehr die uferlose Textierung, die rechtskonformes Verhalten zum Geländelauf auf einem Minenfeld werden lässt. Besonders in den Blickpunkt der Kritik geraten ist das sogenannte "Anfüttern" . Dieser eigentlich aus der Sportfischerei kommende Begriff beschreibt dort eine Verhaltenssteuerung bei Fischen, bei der an einer bestimmten Stelle immer wieder Futter ins Wasser geworfen wird, um den Tieren die Rückkehr an den Futterplatz anzutrainieren. Dadurch ist es für den Angler bedeutend einfacher, im entscheidenden Moment einen Fang zu machen.

Anfütterung

"Angefüttert werden" können nach den Materialien zum Strafrechtsänderungsgesetz 2008 aber eben nicht nur Fische, sondern auch öffentliche Entscheidungsträger. Und zwar, indem man ihnen Vorteile "im Hinblick auf ihre Amtsführung" anbietet, gewährt oder verspricht, ohne dass ein Zusammenhang mit einem konkreten Amtsgeschäft besteht. Vom Verbot des Anfütterns umfasst sind damit alle Vorteilszuwendungen, die dazu dienen, den Empfänger ganz allgemein und für alle Fälle gewogen zu stimmen. Zwar sind nach (alter) Rechtsprechung des OGH prinzipiell nur Vorteilszuwendungen ab einer Grenze von 100 Euro erfasst - und nicht einmal diese Grenze soll gewiss sein, wie die Justizministerin gerade letztlich in einem Interview feststellte. Doch erkennt man beim Lesen des Gesetzestextes schnell, dass die Gewährung sonstiger Geschenke grundsätzlich ohne Einschränkung strafbar ist.
Überdies stehen mittlerweile nicht mehr nur Beamte im Fokus der Korruptionsbestimmungen. So knüpfen die Delikte des öffentlichen Bereichs nun an den Begriff des "Amtsträgers" . Amtsträger ist jeder, der ein Amt in der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz innehat oder sonst, auch in öffentlichen Unternehmen, mit öffentlichen Aufgaben betraut ist. Durch das Anknüpfen an die Betrauung mit öffentlichen Aufgaben wurde auch mit dem Begriff des Amtsträgers ein unbestimmter Gesetzesbegriff eingeführt, dessen Abgrenzung selbst eingefleischten Strafrechtsexperten größte Schwierigkeiten bereitet. Anlass zur Freude haben nur die Abgeordneten zu Parlament und Landtag, sind diese doch ausdrücklich vom Amtsträgerbegriff ausgenommen. Zwar sah die Regierungsvorlage vor, dass der Nationalrat die für Mitglieder von Vertretungskörpern geltenden Regelungen selbst aufnehmen solle, Eingang in das StGB fand schließlich jedoch (nur) das Verbot des Stimmenkaufs, das im Gegensatz zu den übrigen neuen Strafbestimmungen aber stark abgeschwächt ist.

Gift für Sponsoring

Potenziell strafbar ist demnach fast jede Vorteilszuwendung an fast jeden öffentlichen Funktionsträger. Um auf Nummer sicher zu gehen (und das ist laut Justizministerium und Antikorruptionsstaatsanwaltschaft die derzeit empfohlene Vorgangsweise zur Vermeidung von unschönen Einträgen im Strafregister) sollte demnach einerseits jede Einladung solcher Personen unterlassen werden, und andererseits etwaige trotzdem angebotene Geschenke durch angesprochene Amtsträger zurückgewiesen werden. Dass dies Gift für durch Sponsoring (sprich: Geld gegen Kartenkontingente und Werbeauftritte) finanzierte Events darstellt, versteht sich von selbst.
Es bleibt zu hoffen, dass tatsächlich rasch eine Novelle der Antikorruptionsbestimmungen erfolgt, die den Erfordernissen der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit wie auch der Notwendigkeit einer effektiven Korruptionsbekämpfung gerecht wird. (Rainer Kaspar und Markus Pinggera, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.3.2009)