"Kein Vorbild". Armin Assinger über seinen Kollegen beim indischen Format (Video).

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Foto: AP/Fox/Ishika Mohan

Vor kurzem hatte ich die Möglichkeit, diesen mit acht Oscars ausgezeichneten Film als Vorpremiere in Wien zu sehen und ich war genau so wie alle anderen 300 Gäste tief beeindruckt von diesem Werk. Von der ersten Minute an nimmt einen dieser Film in Beschlag, lässt dich eintauchen in eine andere Welt, nimmt einen gefangen und lässt einen die nächsten 90 Minuten nicht mehr los. Manchmal blieb mir der Mund offen, so unglaublich sind die in "Slumdog Millionaire" beschriebenen Lebensumstände, die in den Armenvierteln der Megacity Mumbai herrschen und ob ich es wollte oder nicht - ich konnte diese Mischung aus Schweiß, Gewürzen und Exkrementen regelrecht riechen.

Manchmal musste ich aber auch bei einigen Szenen schmunzeln, die zeigten, wie schlau und raffiniert sich die Bewohner - und hier vor allem die Kinder - über Wasser halten. Dabei wird sogar so etwas wie Lebensfreude vermittelt, trotz widrigster Umstände! Ein Autogramm eines Fernsehstars ist schon den Sprung in die vollgefüllte Latrine wert!

Für mich vereinigt der Film drei Erzählstränge: einerseits ist es eine Liebesgeschichte Marke "Bollywood", bei der wir die beiden sich Liebenden über viele Jahre hinweg begleiten - und bei der es ein klassisches Happy End gibt (oder hätte ich jetzt das nicht verraten sollen?).
Das ist gut fürs Herz, das gefällt. Dann handelt es sich bei diesem Film auch um ein Sozialdrama, durch das wir teilweise verwöhnten Abendländer einen ziemlich schockierenden Einblick in den Überlebenskampf in den Slums bekommen. Dieser Einblick ist sicherlich ein wenig geschönt worden und ich glaube, dass die Wahrheit noch viel schlimmer und grausamer ist. Dort herrscht das Gesetz des Stärkeren noch viel mehr. Lässt man diese Szenen mit all ihrer Intensität auf sich wirken, dann wird automatisch vieles zurecht gerückt. Viele ach so große und schier unlösbare Probleme bei uns werden gnadenlos relativiert. Jammern ist gerade jetzt sehr modern - nach diesem Film wird sich der eine oder andere das Jammern gut überlegen!

Und dann sind da noch die 15 Fragen, bei denen wir den Hauptdarsteller Jamal Malik begleiten. Der hat schon viel durchgemacht in seinem Leben, die Mutter verloren, auch seine große Liebe Latika aus den Augen, aber genau die hat er Zeit seines Lebens offen gehalten.
So kämpft er sich durch den Fragendschungel, muss sich dabei mit einem äußerst unsympathischen, eingebildeten Moderator herumschlagen, muss Verhöhnungen über sich ergehen lassen und ein unmenschliches Verhör durch die Polizei. Es kann ja nicht sein, dass einer aus den Slums bis zur letzten, mit 20 Millionen Rupien (350.000 Euro) dotierten Frage vordringt. Es darf einfach nicht sein, was nicht sein kann! Und trotzdem passiert es ... (Armin Assinger/ derStandard.at/17.3.2009)