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Kaiserwalzer
Esterhazygasse 9
1060 Wien
01 585 77 23
Mo-Sa 16 bis 24 Uhr

Vier und drei Gänge plus überschaubare Getränke: 60 Euro.

Foto: APA/Heidi Seifzenecker

Der erste Schock war groß. Der Herr Holzer hat für die "Freizeit" ein wirklich hübsches Bild ausgesucht vom Kaiserwalzer. Irgendwie biedermeierlich, klein, paar Tische, alte Anrichte, Vorhänge, Streifen, nett. Dann steh ich in der Einfahrt, unten in der Esterhazygasse, und denk mir: Jössas. Das ist doch dieses alte Bierlokal, um das ich immer einen ganz großen Bogen gemacht hab. Hier ein quasi geschäftliches Essen? Na ich weiß nicht.

Jössas zwei: Den Windfang hinter mir gelassen. Bunte Glasfenster. Brauner Fliesenboden, wie ich ihn unter den Holzbohlen meiner Datscha vergessen gehofft hatte. Man serviert in Krachlederner. Na servas! Bin ich hier richtig?

Erst Milchner...

Immerhin, die Wochenkarte entspannt mich ein wenig. Thema: das Innere des Tieres. Lauwarm marinierte Lammkutteln zum Beispiel, marinierte Lammzunge, gebacker Milchner vom Karpfen, gebackenes Kalbsbries, weiße Nieren gebacken oder im Trüffelsafterl (hab ich erwähnt, dass ich Verkleinerungsformen hasse?), Welsleber, Kaninchenleber (leider aus) oder Kaninchennieren geröstet, Lammzunge mit Pastinakenpüree. Alles zwischen 4,10 und 4,90, in homöopathisch kleinen Schüsselchen, damit man sich durchkosten kann, verrät der Kellner. Der übrigens so bemüht und professionell und überhaupt, dass man die Lederhose gleich vergisst und die braunen Fliesen dazu.

Immerhinner: Das klingt nicht nur gut, das schmeckt noch viel besser. Die Kutteln mit bisschen knackigem Gemüse, essigfrisch, kommen in meinen Kanon der besten bisher. Der Milchner, also der Samen vom Karpfen, legt praktisch die Rampe für den nächsten Gang, gebacken nehm ich in Kauf, cremig-weich, gut. Und der Erdäpfel-Vogerlsalat dazu wienerisch-optimal.

...dann Eier

Kommen wir von den Samen zum Hoden, den so genannten weißen Nieren also. Der erste Bissen ist a) gedanklich und b) von der schwammig-weichen Konstistenz her immer ein bisschen eigen. Ab dem zweiten wird's endgültig erfreulich, auch dank des kräftig-würzigen (und erfreulicherweise ziemlich untrüffeligen) "Safterl"s dazu. Das Grießnockerl als Begleitung hätt ich jetzt nicht gebraucht, außerhalb der Suppe hat das für mich wenig verloren. Und selbst dort ziehe ich den Leberknödel bei weitem vor, was Sie jetzt auch nicht überraschen wird, wenn Sie öfter in dieser kleinen, dreckigen Kolumne vorbeigeschaut haben.

Wer verlor für meinen dritten Gang die Eier? Ein Lamm war's diesmal, die Größe ließ jedenfalls Stier und Hengst ausscheiden, die wir schon bei Max Stiegl in Purbach in Augen- und Magenschein genommen haben, nachzulesen unter "Bringt mir die Hoden von Max Stiegl". Majestätisch würde, klar, besser zu den Eiern von Stier oder Hengst passen, geb ich zu, aber die vom Lamm haben schon kaiserlich gut geschmeckt.

Richtige Nieren, quasi zum Dessert

Die übrigen Kollegen auf der Wochenkarte des Kaiserwalzer - Karpfen, Wels und Kaninchen - scheiden aus anatomischen Gründen oder größenmäßig eher aus. Weiße Nieren vom Kaninchen sind, glaub ich, eine eher fipselige Delikatesse. Dann lieber die ganz normalen Nieren der niedlichen Felltiere, ihre Leber war leider schon aus. Geröstet, wie sich das für das Entgiftungsorgan gehört. Formidabel.

Mein Tischnachbar, ausgewiesener Nichtvegetarier mit ausreichend Kapazität, verputzte das "Carpaccio" von der ausgezeichneten Blunze, das gebackene Bries und eine erwachsene Portion Beuschel, und sah ausgesprochen zufrieden aus. Gekostet hab ich in dem Fall nicht - oder würden Sie so einfach auf dem Teller des Managers eines im weiteren Sinne Konkurrenzunternehmens herumstochern?

Den nächsten Innereienschwerpunkt dürfte es nach Auskünften des Lokals so in zwei, drei Wochen geben. Hirn könnte da eine Rolle spielen, hieß es, und das kann ich ja immer gut gebrauchen. Ob man dann den Gastgarten schon nutzen kann? Eher fraglich. Dort wollen die Kaiserwälzer bei besserem Wetter grillen, haben wir noch erfahren. Ich empfehle dafür ja Herz, wie Schmeck's-Leserinnen und -Leser längst wissen.

Hilberg, bitte melden!

All das erinnert mich daran, dass ich endlich einmal im Gasthaus Hansy am Praterstern vorbeischauen sollte. Dessen Betreiber schupfen ja nun auch den Kaiserwalzer. Herr Hiilberg hat Hansy in unserer kleinen Kolumne ja schon vor Unzeiten in seinem Zwischengericht über Gänseleberkäse empfohlen, nur ich vergess die Destination seither ständig.

A propos: Wohin ist eigentlich Herr Hilberg verschwunden? Lange nichts gelesen. Ist ihm etwa die Gänseleber ausgegangen? Hat er sich daran gar überfressen? Fürchtet er sich neuerdings vor den Schmeck's-Postern? Fragen über Fragen. Hilberg, bitte melden!