Auch wenn die Folgen des Denkansatzes recht unbequem erscheinen- theoretisch könnten wir ohne Tisch, Bett, Stuhl und Schrank auskommen. Ohne Sofa sowieso. Niemals aber ohne Licht. Allein dieses gar nicht gemütliche Szenario zeigt, welche Bedeutung dem oft so stiefmütterlich behandelten Gestaltungselement namens Beleuchtung zukommt. Und genau das dachte man sich auch an der Technischen Universität Wien, wo 48 angehende Architekten im Rahmen einer Lehrveranstaltung gemeinsam mit dem Institut für Raumgestaltung und Entwerfen das Thema Beleuchtung ins Rampenlicht rückten. Damit aber nicht genug. Weiters sollte - inspiriert durch einen Gastvortrag des japanischen Architekten Shigeru Ban - im hauseigenen Raumexperimentierlabor herausgefunden werden, wie gut sich der Werkstoff Papier mit lichtspendenden Quellen aller Art verträgt. Es sei vorweggenommen: Die Studenten brauchen ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.

Den Beweis dafür, 48 Leuchten unterschiedlichster Machart, die auch käuflich zu erwerben sind, treten sie in einer Ausstellung im Institut Français de Vienne an, die von den Lehrbeauftragten am TU-Institut, Anton Kottbauer und Susanne Höhndorf, kuratiert wurde. Den beiden Projektleitern ging es jedoch nicht nur um eine theoretische Auseinandersetzung mit Licht, sondern auch um ein sehr praktisches Handanlegen in Sachen Lichtmachen. Für Susanne Höhndorf vom Architekturbüro "Rataplan" sind vor allem die Maßstabsprünge spannend, denen die Studenten bei dieser Geschichte ausgesetzt sind: "Es ist ein Unterschied, ob man an einem Brückenkopf arbeitet oder am filigranen drahtigen Gelenk für eine Leuchtstoffhalterung."

Das Objekt im Sinne einer Annäherung ans Skulpturale sollte ebenso eine Rolle spielen wie die Beeinflussung bzw. die Gestaltung des Raumes durch den Lichtschein selbst. Als besonders spannender Faktor stellte sich dabei die Wechselwirkung zwischen Leuchte und Raum heraus. Schnell fanden die Gestalter heraus, dass das eine nicht ohne das andere funktioniert. Wie gut beides im Einzelnen zusammengefügt wurde, wollen die beiden Architekten aber nicht allein beurteilen. Alle Besucher der Ausstellung sind eingeladen, ihr Voting für den einen oder anderen Lichtbildner abzugeben. Leuchtender Abschluss wird die Verleihung eines Publikumspreises sein. Neben ästhetischen Überlegungen waren vor allem auch materialtechnische Prozesse und in deren Vorfeld gründliche Recherche vonnöten, schließlich kann so eine Glühbirne - wie der Name schon sagt - ganz schön heiß werden. Ein zur Ausstellung erscheinender Katalog dokumentiert diese Ausflüge in wahrlich entlegene Winkel der Welt von Technik und Design.

Und noch eine Hürde, wenn auch eine sehr amüsante, hatten die Studenten im Rahmen dieses Unterrichtsmoduls namens "Produkt- und Industriedesign" zu nehmen. Ein frei zu wählendes Literaturzitat sollte den Ausgangspunkt der Inspiration bilden. Christian Morgenstern, Heinrich Harrer oder Hermann Hesse wurden ebenso als Stimmungsmacher herangezogen wie Ingrid Noll oder Martin Amanshauser. Die Musenküsse bewirkten unterschiedlichste Herangehensweisen, und den Studenten sind mitunter sehr gelungene Lichter aufgegangen. Papier wurde geklebt, geschnitten, gefaltet, gebogen, gesteckt, gesammelt und sogar gestrickt.

Das Licht der papierenen Leuchtkörper aus unterschiedlichsten Papiersorten und -stärken scheint, strahlt, schillert, blinkt, funkelt und glitzert. Stimmungen von Morgenröte über grellen Fabrikshallenschein bis hin zur Dämmerung sind im kleinen Lichtermeer zu finden. Wohl kaum waren diese Leuchtfeuerchen in all den spür- und sichtbaren Facetten so präzise planbar, und so spielte auch der Überraschungseffekt eine willkommene und glänzende Rolle im abwechslungsreichen Spiel mit dem Licht. Und auch das zeigt, dass das Gestaltungselement Licht in Sachen gestalterisches Entwicklungspotenzial eine oftmals unterschätzte und doch so schillernde Rolle spielen kann.

"p&l papier & licht"

Ausstellung im Institut Français de Vienne,
Palais Clam-Gallas, Währinger Straße 30, 1090 Wien,
Mo bis Fr, 9 bis 20 Uhr. Bis 27. März 2003

24. März, 19 Uhr: Vortrag des französischen Lichtkünstlers
Laurent Fachard und Verleihung des Publikumspreises

Infos: Tel. 01/588 01-25601
(DerStandard/rondo/Michael Hausenblas/7/03/03)
Fotos: Ziegelwanger/Inst. f. Raumgestaltung & Entwerfen