Der Abschluss eines Koalitionsabkommens zwischen dem Likud Benjamin Netanyahus und der Partei Yisrael Beitenu des international verpönten Rechtsaußen Avigdor Lieberman scheint so etwas wie ein letztes Aufbäumen der Hoffnung hervorzurufen: Vielleicht gelingt es Netanyahu durch den entstandenen Druck ja doch noch, Zipi Livni - Wahlsiegerin nach Stimmen, Wahlverliererin nach Fakten - und ihre Kadima-Partei ins Boot zu holen.

Tatsächlich steht in der Netanyahu-Lieberman-Vereinbarung explizit drinnen, dass sie in dieser Form nur für eine "schmale" Koalition gelten würde; mit deren Verbreiterung wird also implizit gerechnet. Aber selbst wenn sich Netanyahu und Livni auf eine Machtteilung einigen könnten - es geht unter anderem darum, wer wie lange Premier ist -, bleibt schwer vorstellbar, wie ein Kompromiss in der Frage aussehen würde, ob und worüber man mit den Palästinensern verhandelt. Über eine Zwei-Staaten-Lösung, wie Livni es will, oder über die "Entwicklung" der Palästinensergebiete und einen "Wirtschaftsfrieden" mit ihnen, wie Netanyahu es vorsieht.

Netanyahu hat sich mit seiner Ablehnung eines Palästinenserstaates mit einer Souveränität, die diesen Namen auch verdient, ziemlich weit hinausgelehnt während des Wahlkampfes. Es war dies eine klare Distanzierung von der eigenen Vergangenheit, in der er, als Premier von 1996 bis 1999, in Wye Plantation in den USA den Plan zur Umsetzung des noch von Yitzhak Rabin 1995 abgeschlossenen Oslo-II-Abkommens mit Yassir Arafat verhandelte und abschloss. Zwar ließ seine Miene keine Zweifel offen, was er darüber dachte, aber er tat es doch - wobei das finstere Gesicht auch US-Präsident Bill Clinton galt, von dem er als Gegenleistung vergeblich die Freilassung des israelischen Spions Jonathan Pollard erwartet hatte.

Netanyahu war auch derjenige israelische Premier, der den Großteil von Hebron den Palästinensern übergab. Umso klarer war seine spätere Linie, als er 2005 aus Protest gegen den israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen als Finanzminister zurücktrat. Für heute heißt das wohl, dass, auch wenn er zu einer mit Livnis Vorstellungen kompatiblen Sprachregelung finden würde, ihm das - wohl zu Recht - als pure Taktik ausgelegt würde: Netanyahu wäre an den Vorteilen eines "Prozesses" interessiert, aber nicht an dessen Abschluss und Ergebnissen, die nach internationalem Konsens nur in einer palästinensischen Eigenstaatlichkeit bestehen können.

Ungewöhnlich scharf äußerte der EU-Außenpolitik-Beauftragte Javier Solana am Montag, dass für die EU das "business as usual" mit Israel nur weitergehen könne, wenn die kommende Regierung an einer Zwei-Staaten-Lösung arbeiten würde. Eine von Israel gewünschte, lange verhandelte und letztendlich beschlossene Aufwertung der Beziehungen wurde von der EU nach der Gaza-Offensive ohnehin erst einmal auf Eis gelegt. Zum innenpolitischen Druck kommt nun also auch der außenpolitische. Mit der Kadima in der Regierung wäre Netanyahu international eindeutig besser dran.

Denn Netanyahu dürfte auch aus den USA nichts anderes hören, wenn auch (noch?) nicht so öffentlich, als aus Brüssel. Wobei ihn das andererseits nicht sonderlich erschüttern dürfte: Kein anderer israelischer Premier hatte je schlechtere Beziehungen zu den USA als Netanyahu, den Joe Lockhart, Sprecher des Weißen Hauses unter Clinton, in seinen Memoiren als "widerlich" und "Lügner" bezeichnet. Mit Lieberman als Außenminister an der Seite hätte Netanyahu zumindest weniger eigene Imageprobleme. Er wäre dann derjenige, der in den Staatskanzleien anruft und sich artig entschuldigt. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 17.3.2009)