Das Kraftwerk, der Trainer und die Willigen - auf dem Kunstrasen des SC Mautner übt die New African Football Academy

Foto: STANDARD/ New African Football Academy

Die New African Football Academy (Nafa) leistet Integration auf kürzestem Weg. Ein Verein, in dem vor allem afrikanische Asylwerber Meisterschaft spielen. Das Projekt droht ständig aus finanziellen Gründen zu scheitern – Von Sigi Lützow

Wien – "Nafa hat zugenommen", sagt Emmanuel Ekeigwe und blickt hinüber zum kleinen Kunstrasenplatz, auf dem gut 30 Spieler der New African Football Academy aufwärmen. Dreimal die Woche, am frühen Abend, kommen sie auf die in aller Herrlichkeit verwitterte Anlage des SC Mautner Markhof in Simmering. 17- bis 25-Jährige aus Nigeria, der Elfenbeinküste und dem Senegal, aus Guinea-Bissau, Afghanistan, Äthiopien und Somalia üben eineinhalb Stunden lang mit Sicht aufs Kraftwerk, umkurven danach das zu schonende Hauptfeld, entschwinden in die Kabine, nicht ohne dem Obmann, Emmanuel Ekeigwe, ihren Respekt erwiesen zu haben.

Flucht nach Österreich

Vor zehn Jahren flüchtete der Nigerianer nach Österreich, bekam nach der Heirat mit einer EU-Bürgerin die Aufenthaltsgenehmigung und als Ex-Profi ein Leiberl beim Oberligisten Hellas Kagran. Vertrauen haben sie ihm nicht geschenkt bei Hellas. "Die Mitspieler haben Angst vor mir gehabt, haben mich nicht angespielt."

Vertrauen durch Fußball

Also gründete Ekeigwe, der sein Studium aufgeben musste ("Man kann nicht lernen, wenn man ständig Hunger hat.") und einen Autohandel betreibt, seinen eigenen Klub, die Nafa. Das war im Sommer 2005. Er wollte Vertrauen schenken, wollte Asylwerbern, wie er selbst einer war, eine Perspektive geben abseits des Alltags in Flüchtlingsheimen, in der Arbeitslosigkeit, auf der Straße.

Zulauf ist enorm

Sie spielen guten, technischen Fußball, wie man ihn in den Niederungen des Wiener Unterhauses, konkret in der 2. Klasse B, selten sieht. Die ethnische Zugehörigkeit spielt keine Rolle. Nafa nimmt jeden auf, der Fußball spielen möchte, auch wenn er nicht in der Lage ist, sich Mitgliedsbeiträge oder auch nur Schuhe, Bälle und Dressen zu leisten. Der Zulauf ist enorm, die Zeiten, da Spieler plötzlich nicht mehr kamen, weil sie in Schubhaft saßen oder abgeschoben wurden, sind vorbei. Dank des 34-jährigen Ekeigwe, der genau auf die Papiere schaut und bei den Behörden vorstellig wird.

Das alte Schilling-Spiel

Ekeigwe wäre sofort gescheitert, hätte er nicht Heinrich Lödl, den Obmann des SC Mautner, gefunden. Lödl nahm die Nafa als Mieter auf. Zum Freundschaftspreis von 3000 Euro pro Saison. "Aber selbst das können sie nicht zahlen", sagt er. 53 Jahre ist Lödl alt, Ende der 60er stürmte er als Linksaußen im Nachwuchs von Ostbahn XI und profitierte von den Vorlagen Herbert Prohaskas, mit dem er in der Simmeringer Hasenleiten aufgewachsen ist. "Ich habe 200 Tore geschossen", sagt Lödl. "Da wird er ein bisserl übertreiben", sagt Prohaska. "Die meisten Tore haben dem Herbert gehört", sagt Lödl. "Da kann er recht haben", sagt Prohaska, der sich genau erinnern kann, dass ihn Schulkollege Lödl lehrte, wie man eine Schillingmünze so nah zu einer Mauer wirft, dass kein anderer näher kommen kann mit seinem Geldstück.

Geblieben ist Lödl aus dieser Zeit der Hang zu den Feinmotorikern am Platz. Seit zehn Jahren steht er dem SC Mautner, dem aktuellen Tabellenführer der 1. Klasse B, vor. Von Beginn an nahm er auch Afrikaner auf, "weil sie großartige Fußballer sind. Und ich verstehe mich gut mit ihnen."

Zuweilen hadert Lödl auch mit ihnen, etwa wenn Ekeigwes Spieler seine Kantine meiden. "Wenn jeder nur ein Getränk nimmt nach dem Training, wäre mir schon geholfen. Aber sie haben ja kein Geld." Das alte Schilling-Spiel kann nicht weiterhelfen.

Eigentlich müsste Lödl der Nafa kündigen, "die Kosten steigen von Jahr zu Jahr, für den Strom, das Wasser. Aber außer mir nimmt sie ja keiner. Ich kenne 90 Prozent der Präsidenten im Wiener Fußball. Nicht einer würde sie auf seiner Anlage trainieren lassen. Und zwar nicht des Geldes wegen."

Geringste öffentliche Unterstützung

Die geringen Summen, die der Nafa und Lödl das Leben erleichtern würden, sind ein ständiges Thema. "Der Verein hat nicht die geringste öffentliche Unterstützung", sagt Filmausstatter Attila Corbaci, der vor drei Monaten "wie die Jungfrau zum Kind" zur Nafa kam – als Location-Scout auf der Suche nach einem Fußballplatz aus den 20er-Jahren.

Das ewige Euro-Zählen

Jetzt kümmert sich der 53-Jährige um die Öffentlichkeitsarbeit, bohrt bei den seiner Meinung nach zuständigen Stellen, "weil die Nafa auf dem kürzesten Weg echte Integrationsarbeit leistet". Aber es rührt sich wenig bis nichts. Da und dort gibt es geringfügige, private Unterstützung. Das Sporthaus Rado in Ottakring hilft mit günstigen Schuhen aus, Corbacis Orthopäde schenkt Verbandsmaterial.

5000 Euro

Mit etwas mehr als 5000 Euro wäre man für eine Saison die gröbsten Sorgen los. Der Budgetvoranschlag für den verwichenen Herbst verursacht beim Lesen Rührung. 30 Euro für Handschuhe waren notiert, 56 für Markierungshütchen, 1200 als Aufwandsentschädigung für den Trainer.

Dieser Posten fällt für die am Sonntag gestartete Frühjahrssaison weg. Jetzt kümmert sich Karl Berger um die Mannschaft, der Vater von Ried-Profi Denis Berger. Auch er ist 53 Jahre alt, er hilft Nafa bis Sommer unentgeltlich.

Die Spieler kommen selbst beim wildesten Wetter gerne

Er nimmt sein Mineralwasser in Lödls Kantine und redet von Strukturen, die zu schaffen seien in der Mannschaft. "Fußballerisch und charakterlich sind sie top." Berger hat als Nachwuchsbetreuer bei der Austria und der Vienna gewirkt, war in allen möglichen Ligen beschäftigt. "Oft hatte man das Gefühl, dass die Spieler zum Training gezwungen werden müssen. Die Afrikaner kommen selbst beim wildesten Wetter gerne."

Wie lange sie noch kommen können, weiß Obmann Ekeigwe nicht. Nafa hat zugenommen, aber Nafa hat zu wenig zum Leben. (Sigi Lützow, DER STANDARD Printausgabe 16.3.2009)