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Die noch amtierende Außenministerin Livni und der vermutlich künftige Premier Netanyahu.

Foto: Reuters

Benjamin Netanyahu ist offenbar selbst vor der Regierung erschrocken, die er am Mittwoch präsentieren soll - so erklären Beobachter plötzliche fieberhafte Kontakte zwischen Israels designiertem Premier und der Zentrumspartei Kadima, die sich offiziell schon in die Opposition verabschiedet hatte. Gerüchten zufolge liegt angesichts des beinahe unentschiedenen Ausgangs der Wahlen am 10. Februar wieder die Möglichkeit einer "Rotation" auf dem Tisch, aber diesmal mit ungleicher Zeitaufteilung.

Demnach könnte der rechtskonservative Netanyahu drei Jahre Premier bleiben und danach Kadima-Chefin Zipi Livni eineinhalb Jahre lang regieren. Die nächsten regulären Wahlen wären erst Ende 2013 fällig. In der schmalen Rechtsregierung, auf die Netanyahu bisher hingearbeitet hat, müsste der Likud-Chef dem international kaum präsentablen Rechtspopulisten Avigdor Lieberman das Außenministerium überlassen.

Netanyahu wäre zudem in permanenter Sturzgefahr, weil er noch von anderen weit rechts stehenden kleinen Fraktionen abhängig wäre und im Parlament eine Mehrheit von vielleicht nur einem einzigen Mandat hätte. Lieberman selbst stellte klar, dass er immer noch eine breite "Regierung der nationalen Einheit" vorzöge und auf den Außenministerposten verzichten würde: "Von uns aus sind Ressorts kein Hindernis" , sagte Lieberman. "Es ist unverantwortlich, dass das Land in einer Zeit wie dieser keine normal funktionierende Regierung hat."

Weitere Verhandlungen
Livni verlangt angeblich von Netanyahu die Verpflichtung zu weiteren Verhandlungen mit den Palästinensern, bei denen sie selbst als Außenministerin eine federführende Rolle spielen würde. Eine erste 28-Tage-Frist für die Regierungsbildung läuft am Donnerstag ab. Wenn Netanyahu nun tatsächlich eine große Koalition zusammenbauen will, dann wird er um Verlängerung bitten müssen.

Der bevorstehende Regierungswechsel hat indessen Bewegung in die Verhandlungen um Gilad Shalit gebracht. Der scheidende Premier Ehud Olmert will in den wenigen ihm noch verbleibenden Tagen den vor fast drei Jahren in den Gazastreifen verschleppten Soldaten noch freibekommen, und die Hamas, die im Tausch die Freilassung von hunderten palästinensischen Häftlingen fordert, muss damit rechnen, dass Netanyahu keinen so hohen Preis bezahlen wird wie Olmert. Zwei israelische Emissäre sollten Sonntagabend aus Kairo zurückkehren, und für Montagfrüh hatte Olmert schon eine Sondersitzung anberaumt, bei der das Kabinett ein eventuelles Tauschgeschäft bewilligen soll. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, Printausgabe, 16.03.2009)