Die Fernbedienung der (ORF-)Zukunft: Auftrag erfüllt?

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Scholl, Löw: "Großkoalitionäres Rollback wäre Eigentor für die Demokratie."

Fotos: AP/strauss/STANDARD/Corn

ORF-Redakteure warnen aus gegebenem Anlass*vor der Gefahr einer neuerlichen Auslieferung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens an die Begehrlichkeiten der Parteipolitik. Ein Kommentar der anderen von Susanne Scholl und Raimund Löw.

Ohne selbstbewusste Medien, die den Mumm haben, der politischen Macht Paroli zu bieten, wäre in den USA der große Umschwung zum Neuanfang unter Barack Obama nie gelungen. Nach der Korrektur ihres Sündenfalls rund um den Irakkrieg geißelten die großen amerikanischen Medien erbarmungslos die Fehlentwicklungen der Bush-Ära.

Europa tut sich da schwerer: Die Medien werden oft nicht als Kontrollinstanz einer pluralistischen Gesellschaft verstanden, sondern im Gegenteil als Transmissionsriemen der Macht. Italien ist das negative Gegenbeispiel zu den Vereinigten Staaten. Das Gewicht des verlegerischen Imperiums Silvio Berlusconis beschleunigt den Niedergang der zivilen Gesellschaft in unserem südlichen Nachbarland.

Als langjährige Auslandskorrespondenten konnten wir beide Entwicklungen hautnah verfolgen.

Frage der Glaubwürdigkeit

Radio und Fernsehen kommt dank der nach wie vor unerreichten Breitenwirkung elektronischer Medien eine gesellschaftliche Schlüsselstellung zu. Während in Europa private Firmen im Unterhaltungsbereich erfolgreich waren, brillierten die öffentlich finanzierten Sender mit Information und Hintergrund. Aber nur selten gelang es, auch in puncto Regierungsunabhängigkeit jene Glaubwürdigkeit zu erreichen, für die etwa die britische BBC steht.

Der ORF war historisch immer beides: staatstragend und großzügig im Umgang mit Widerspruch und Provokation. Parallel zu den wildesten politischen Interventionen gab es Hugo Portisch, "Ohne Maulkorb" und den "Club 2". Erst diese Offenheit hat den ORF zu einer identitätsstiftenden Institution gemacht.

In der Wirtschaftskrise greifen die Regierenden doppelt zu. Frankreichs Nicolas Sarkozy, der sowieso auf das Wohlwollen der kommerziellen Mediengiganten zählen kann, lässt die Gesetze ändern, um die öffentlich-rechtliche Senderkette der direkten Kontrolle der Regierung zu unterwerfen. Aus der CDU kommen Warnschüsse in Richtung ZDF.

Die heimische Politik sollte aber der Versuchung, den Spielraum des ORF in Österreich einzuschränken, widerstehen. Es wäre eine Chance. Denn je unangreifbarer und unabhängiger der ORF dasteht, desto besser für die Zukunft. Die könnte turbulenter werden, als man sich das heute vorstellt. Die Wirtschaftskrise belastet die Demokratie und schürt Extremismus. Niemand kann ausschließen, dass neuerlich rechte Populisten an die Macht gespült werden. Eine Tradition der Politikferne des ORF, bei der Parteichefs, Minister und Landeshauptleute gar nicht erst auf die Idee kommen, dass sie Direktoren auswechseln und Beiträge bestellen könnten, würde helfen, besser und auch entspannter mit neuen Umbrüchen umzugehen.

Ja, der ORF steckt gegenwärtig in einer finanziellen Krise. Daraus ein großkoalitionäres Rollback zu machen wäre ein Eigengoal für Pluralismus und Demokratie. Würde die Politik darauf verzichten, jene Einflussnahme wieder hoffähig zu machen, die zuletzt glücklicherweise so drastisch zurückgegangen ist, dann wäre das ein selbstbewusstes Zeichen demokratischen Verantwortungsbewusstseins. (Susanne Scholl, Raimund Löw, DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.3.2009)