Wien - Schön ist so ein Bedenkjahr - sagen wir: ein Haydn-Jahr. Überall fließt mehr an Fördergeld, um opulente Sondererinnerungen an den Meister der Wiener Klassik zu ermöglichen. Ist man indes ein lebender Komponist, steht man vor der Tatsache, dass jedes Jahr irgendein Grande der Vergangenheit in den Genuss der üppig subventionierten Würdigungsrituale kommt; und man selbst somit unentwegt - auf der Suche nach Aufträgen - in Konkurrenz zu gefeierten Toten treten muss.

Warum also - in einem Akt des smarten Pragmatismus - nicht weiterhin komponieren, was man will. Zusätzlich aber, um die Wahrscheinlichkeit einer Aufführung zu erhöhen, vorgeben, das eigene neue Werk würde sich mit dem jeweiligen Jubilar auseinandersetzen - also heuer mit Haydn? Auf den ersten Blick haben Bernhard Lang, der im Amadeus-Jahr mit der Oper I Hate Mozart! reüssierte, und Helmut Jasbar nichts anderes getan. Lang mit "Haydn bricht auf. Sieben Tage, die die Welt veränderten", einer Produktion für das Kabinetttheater. Und Jasbar mit "Es ist Freitag und Gott ist nicht da", das demnächst für das Osterklang-Festival Haydns "Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz" zum Ausgangspunkt nimmt. Eine bewusste Strategie also? "Ich wurde eingeladen, das zu machen, der Kontext war vorgegeben" , meint Lang. "Aber natürlich ist das alles in die Finanzierungsstruktur des Haydn-Jahres eingebettet. Letztlich sind solche Vermarktungsschienen wie das Haydn-Jahr Chancen für neue Produktionen. Man muss sich ja vor Augen führen: Zu Haydns Zeit gab es jährlich 1000 neue Werke. Heute ist das Phänomen ‚neue Komposition‘ eine Randerscheinung. Damals gehörte sie zum Tagesablauf." Auch Jasbar verneint, er hätte sein Werk bewusst auf das Haydn-Jahr getimt:

"Die Idee ist schon einige Jahre alt, damals traf ich den Osterklang-Intendanten Roland Geyer, und wir unterhielten uns über das Projekt. Die Musik von Haydns "Sieben letzten Worten" ist bei mir an sich kein Thema. Es sind eher die Gedanken des Werkes, der Schrecken. Im Grunde habe ich ein Thema gesucht, das mit dem Inhalt bei Haydn aktuell konkurrieren kann. So geht es um einen Menschen, dem man sagt, dass er nicht mehr lange zu leben hat." Wie auch immer. Realisiert wird das Projekt jedenfalls just im Haydn-Jahr.

Bezüge zu Haydn

Bernhard Langs Opus beinhaltet aber doch direkte Bezüge zu Haydns-Musik: "Es geht eigentlich um eine Neuschreibung von Haydns "Schöpfung". Im Original wird der Teufel nur kurz erwähnt. Hier wird er zur Hauptfigur. Musikalisch gibt es versteckte Referenzen an Haydn. Es ist wie bei postmoderner Architektur: Auf dem Grundriss eines vorhanden Gebäudes baut sich ein neues auf." Mit dem Wort Postmoderne kann auch Jasbar, versierter Gitarrist zwischen Klassik, Moderne und Jazz, etwas anfangen: "Bei meiner Arbeit sehe ich keinen dezidierten Personalstil. Ich mache Popmusik für Leute, die Popmusik langweilt. Ich mache mir auch keine Gedanken darüber, ob das, was ich schreibe, wieder aufgeführt wird. Meine Musik hat ein Ablaufdatum wie eine Karotte. Darauf bestehe ich." Dermaßen gelassen ist Lang nicht. Im Gegensatz zu Jasbar versteht sich der Linzer (Jahrgang 1957) schon vorwiegend als freischaffender Komponist. Und obwohl er das Finden seines Stils (anhand einer speziellen Wiederholungstechnik erkennbar) für ein Nebenprodukt der Auseinandersetzung mit Filmtechniken sieht, freut er sich, dass "ich schon nachgeahmt werde!" Wenig heiter sieht er in die Zukunft. "Durch die Krise wird es schwer. Es gibt jetzt schon Veranstalter, die in Zahlungsschwierigkeiten kommen." Linz09 meint er damit nicht. Dort hat man zwar die Uraufführung seiner neuen Oper abgesagt. "Aber mein Honorar habe ich schon vorher bekommen. Ich habe ja so meine Erfahrungen mit Kulturhauptstadt-Jahren!" Dennoch, nach solchen Absage-Erlebnissen könnte man Kollege Haydn fast um seinen fixen Job beneiden. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe, 14./15.03.2009)