Jetzt ist es schon eine ganze Woche her, und der Journalismus ist noch immer nicht tot. Wie kann das sein, nachdem ein so seriöses Medium wie "Die Presse" ihn doch vorigen Samstag in jener Weltuntergangsstimmung, die schon immer das Salz der Blattlinie war, zu Grabe getragen hat? Journalismus: Das Ende der Geschichte? machte man da über die Seiten 1 und 2 in Panik und schob die nächste Frage nach: Was ist Journalismus wert? Gemeint: Wie viel sind Medienkonsumenten bereit, dafür zu bezahlen? Zu wenig, ginge es allein nach dem blinden Walten der Marktkräfte, die das Blatt ständig als Ausfluss eines göttlichen Willens preist. Und "Die Presse" müsste längst tot sein: Das, was "Die Presse" (und nicht nur sie) aus Abonnementgebühren und Trafikerlösen bekommt, deckt nur rund ein Drittel der Kosten, die es braucht, um die Zeitung zu schreiben, zu drucken und täglich bis an die Haustür zu liefern.

Wirklich erklären kann - oder will? - sich "Die Presse" nicht, warum sie dann noch immer als marktwirtschaftlich Untote durch die Medienlandschaft geistert. Aber man soll diesen Zustand nicht kleinreden, Anfälle von Sterblichkeit sind kein Leerlauf, sondern nur Auszeit bis zum nächsten Weltuntergang. Daher wird nur zwei Seiten hinter dem Ende des Journalismus auf einer Doppelseite für "Die Presse am Sonntag" geworben, die morgen zum ersten Mal erscheint.

Wenn man schon - auf Seite 2 - davon ausgehen will, dass Journalismus als Printmodell nicht zu retten ist und als digitales Modell wirtschaftlich - vielleicht - nicht funktionieren wird, dann funktioniert man das Begräbnis auf Seite 4 in die Auferstehung des Lazarus um: Das Leben ist anders geworden, ab nächster Woche wird es auch Ihre Zeitung: "Die Presse am Sonntag" liefert einen Beitrag zur Auszeit, die wir alle brauchen. Auszeit, nicht Leerlauf. Vorn das Ende der Geschichte, hinten Lesevergnügen auf über 64 Seiten am schönsten Tag der Woche. Der Chefredakteur, der nach seinem Auftritt als Model nun mit dem Motto Rettet den Sonntag ins spirituelle Fach wechselt, erklärt das so: "Die Presse" hat mit ihrer Umgestaltung vor knapp fünf Jahren einen ersten Schritt in der Anpassung an die Lebensumstände ihrer Leserschaft unternommen, indem sie sich dezidiert als "Erklärmedium" positioniert hat. Das hatte einen derartigen Zustrom an erklärungsbedürftigen Lesern zur Folge, dass deren erklärmediale Behandlung auch am Sonntag als Gebot christlicher Nächstenliebe erscheint, egal, wie viel Medienkonsumenten bereit sind, dafür zu bezahlen.

Der Chefredakteur der "Presse", diese Inkarnation eines Erklärmediums, legte in Form eines Leitartikels noch eins drauf, in dem er seinen Lesern erklärte: Man möchte sich nicht vorstellen, was passierte, wenn österreichische Medien von der Politik abhängig wären. Ist eh besser, denn wenn die Leser einmal anfangen, sich so richtig vorzustellen, wie "Die Presse" eigentlich existieren kann, wenn sie seit Jahrzehnten nur ein Drittel ihrer Gestehungskosten aus dem Verkauf deckt, dann können sie sich dieses Wunder nicht mit Fleischhacker, sondern nur damit erklären, dass etliche österreichische Medien, und nicht zuletzt "Die Presse", ohne jahrzehntelange Presseförderung längst definitive Auszeit genommen hätten, weshalb auch sie diese "Abhängigkeit" von der Politik gern in Anspruch genommen hat.

Fleischhacker begleitet seinen Appell an die Leser, sich nicht vorzustellen, was doch ist, mit komischer Kraftmeierei. Das habe auch sein Gutes: Es ist eine starke Motivation, bis zum sprichwörtlichen Umfallen für das Überleben aus eigener Kraft zu kämpfen. Er hat das Glück, dafür weder bis zum physischen noch bis zum sprichwörtlichen Umfallen kämpfen zu müssen, weil der Styria-Konzern und innerhalb dessen die "Kleine Zeitung" dafür sorgt, dass "Die Presse" gleichzeitig den Journalismus untergehen lassen und sich die Auszeit eines Sonntagsblattes leisten kann. Von wegen aus eigener Kraft.

Der Wissenschaftsredakteur des Blattes reagierte auf das Geschwafel des Erklärmediums am Donnerstag in seiner Kolumne Metaware dezent gereizt. Über das Zeitungssterben habe ich unlängst wieder einmal gelesen, natürlich in einer Zeitung, und mir gedacht: Na, wenn die Zeitungen das Zeitungssterben so gut überleben wie der Wald das Waldsterben, die Kinos das Kinosterben und der Jazz den Tod des Jazz, dann soll 's mir recht sein. Aber ein bisserl nervös macht es einen doch, wenn die eigene Branche für moribund erklärt wird. Aber solange das nur in seiner eigenen Zeitung geschieht, kann er ganz ruhig bleiben. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.3.2009)