Deutlich mehr auf Lifestyle getrimmt denn der Vorgänger Vectra Caravan, will sich der Insignia viele neue Freunde erobern. Opel setzt dabei auch auf die anhaltende Zugkraft des Konzepts Kombi.

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Was Opel derzeit durchmacht, hat die Traditionsfirma wirklich nicht verdient. Und überhaupt fällt es schwer zu verstehen, warum Konzernmutter GM einfach nicht loslassen will und der deutschen Tochter den Weg in die Unabhängigkeit verbarrikadiert. Als wolle man sich solcherart einen potenten potenziellen künftigen Konkurrenten am US-Markt vom Leibe halten.

Zwischen Ingenieurs-Selbstbewusstsein und Unternehmenskrisen-Frust schwankt dementsprechend auch die Stimmung bei der internationalen Pressepräsentation des Insignia Sports Tourer, die soeben im Umland von Frankfurt, im Opel-Heimatland nahe Rüsselsheim also, über die Bühne geht. „Wir produzieren nicht nur Schlagzeilen, sondern auch tolle Autos.“ Den trotzigen Sager eines Opel-Sprechers kann man jedenfalls nach ersten Testfahrten mit dem Sports Tourer nur unterstreichen. Welch feines Auto. Spontan, ohne direkte Vergleichsmöglichkeiten, würde man behaupten wollen: Opels Flaggschiff fährt auch als Kombi (zumindest) auf Augenhöhe der Konkurrenz, VW Passat Variant, Ford Mondeo Traveller, Mazda6 Sport Combi inklusive. Und obwohl dies der direkte Nachfolger des zuletzt glücklosen Vectra sein soll, hat man eher den Eindruck, vor dem legitimen Omega-Erben zu stehen, dem Omikron vielleicht. Apropos Sports Tourer: Was ist mit dem traditionellen Opel-Kombi-Terminus Caravan? Der ist tot. Kombiniere: Die Caravane zieht weiter(hin). Als großer Sportlichtuer. Sports Tourer.

Von den weichen, subjektiven Impressionen zu den harten, objektiven Fakten. Mit 4,91 m ist der Sports Tourer acht Zentimeter länger als die Limo. Acht Zentimeter, die ausschließlich dem Laderaum zugute kommen. Was man also aufgrund der coupéhaften Seitenlinie nicht vermuten würde: Der muskulös-elegante Kombi fasst mit 540 l zehn Liter mehr als der biedere, extrem nutzorientierte Vectra-Ahne. Legt man zudem die Rücksitze um, entsteht erstens eine fast völlig plane Ladefläche, die zweitens mit 1530 l (Vectra Caravan: 1850 l!) Volumen Bereitschaft zu allen möglichen Transportschandtaten signalisiert. Die Zielsetzung „Athletik, Stil, Funktionalität“ haben die Ingenieure brav(ourös) umgesetzt. Zumal es auch sonst kaum an Ablagen und Staufächern mangelt.

Sehr praktisch, dieses Auto, eben auf jenem aktuellen Stand, den man von einem europäischen Hersteller erwarten darf. Eins nur vermisst man etwa gegenüber Mazda6 und Renaults Laguna Grandtour: das Hakerl im Kofferraum, an dem man bloß zu ziehen braucht, dann macht’s plopp, und die Rücksitze klappen um. So muss man eben nach vorn greifen und am Sitz entriegeln: geschenkt – der zielgruppige lifestylistische Sportlichtuer ist sowieso immer ausladend in Bewegung, nicht nur im Sports Tourer.

Neuigkeiten gibt’s auch an der Motorenfront. Die bisher bekannten sieben Aggregate erhalten Verstärkung, je ein neuer Benziner und Diesel ergeben nunmehr alle Neune, um Kegel und Kind bedarfsgerecht zu befördern. Beides sind sie Ergebnisse innigen Nachsinnens zum Thema Schrumpfkur, also Downsizing: Der 1,6-Liter-Turbo (der jetzt nicht sooo umwerfend klingt) kommt auf 180 PS und schließt die Leistungslücke in der Mitte der Benzinerpalette.

Bei den Selbstzündern kommt der 2,0 CDTI hinzu, ein Biturbo mit 190 PS, der als Fronttriebler nur 6,0 l/100 km schlucken soll. Ähnlich wie bei BMW, werkt auch hier ein kleiner Lader im Drehzahlkeller, in der Mitte kooperiert er mit dem großen Turbo, der dann ganz oben die Alleinregie übernimmt. Was noch folgt? Ein Ecoflex-Modell auf Basis des 160-PS-Diesels. Der soll beim CO2-Ausstoß unter 140 g/km kommen, was einen Verbrauch von etwa 5,4 l/100 km erwarten lässt. Nicht übel für so ein Trumm Auto, das 2,2 bis 2,5 t Leergewicht wiegt. Interessant übrigens, dass die Insignia-Nachfrage die Erwartungen bei weitem übertrifft. In Rüsselsheim fahren sie trotz allgemeiner Auto(absatz)krise Sonderschichten. Im Jänner/Feber war der Insignia demnach die meistverkaufte Limousine Europas. Bleibt zu wünschen, dass das so bleibt; bleibt zu wünschen, dass Opel bleibt. Denn ohne Blitz ab und an sähe die automobile Großwetterlage düster aus. (Andreas Stockinger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.3.2009)