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Langjährige Balkan-Erfahrung: Valentin Inzko (re.) zeigt 1997 als österreichischer Botschafter in Bosnien-Herzegowina dem damaligen Bundeskanzler Viktor Klima Kriegsschäden nahe Sarajewo.

Foto: APA/Jäger

Die exekutiven Vollmachten des Amtes will er nur als letztes Mittel einsetzen.

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Wien/Ljubljana - "Das ist ein Land von Talenten", sagt Valentin Inzko und verweist auf zwei Nobelpreisträger, gefeierte Filmregisseure und internationale Spitzensportler, die Bosnien-Herzegowina hervorgebracht hat. Viele fähige Leute seien emigriert, aber noch immer verfüge das Land über ein enormes menschliches Potenzial. "Und dieses Potenzial gilt es zu heben."

Valentin Inzko, derzeit österreichischer Botschafter in Slowenien, ist in der Nacht auf Mittwoch zum EU-Sonderbeauftragten für Bosnien-Herzegowina ernannt worden. Da dieses Amt in Personalunion mit jenem des Hohen Repräsentanten (HR) der internationalen Gemeinschaft besetzt wird, war dafür auch die Zustimmung der USA erforderlich. Washington wünschte sich dafür den Vertreter eines Nato-Landes, lenkte aber schließlich ein. Bei der nächsten Sitzung des Friedensimplementierungsrates (PIC) am 25./26. März in Sarajevo soll Inzko auch zum HR bestellt werden.

In Gesprächen mit Spitzenvertretern der US-Regierung in Washington konnte Inzko die Amerikaner offenbar von seinen Fähigkeiten und seinem Konzept überzeugen. Er musste aber auch zusagen, die weitreichenden exekutiven und legislativen Vollmachten des HR notfalls auch einzusetzen. Diese sogenannten Bonn Powers (benannt nach der Stadt, wo sie festgelegt wurden) ermöglichen dem HR die Entlassung von Staatsfunktionären und die Erlassung von Gesetzen.

"Die Bonn Powers sollen als allerletzte Möglichkeit im Raum bleiben", sagt Inzko im Gespräch mit dem Standard . Auch nach Ansicht von Wolfgang Petritsch, dem ersten Österreicher im Amt des HR (1999-2002), hätten sich diese Vollmachten weitgehend überlebt. Statt der "full powers" , die von den bisherigen Bosnien-Repräsentanten mehr als 600 Mal angewandt wurden, setzt der künftige Amtsinhaber in Sarajevo lieber auf das, was er die "pull powers" nennt: die Anziehungskraft der EU, also die Beitrittsperspektive. Gemeint: Statt politische Amtsträger zu maßregeln oder abzusetzen (was mehr als 160 Mal geschehen ist), sollten sie mit der konkreten Aussicht auf Integration in die europäische Gemeinschaft zu einem entsprechenden Verhalten animiert werden.

Das erscheint auch deshalb schlüssig, weil das Amt des HR voraussichtlich mit Jahresende abgeschafft wird und es dann nur noch den EU-Sonderbeauftragten gibt. Als entscheidend für eine nachhaltige Stabilisierung und wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung des Landes betrachtet Inzko die Verfassungsreform: "Wir müssen einen Staat mit einfacheren Strukturen bekommen." Diskutiert wird vor allem die Abschaffung der zehn Kantonalregierungen. Sie ist ebenso umstritten wie die Umstrukturierung der derzeit zwei "Entitäten", der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Republika Srpska. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 12.3.2009)