Blixa Bargeld ist auf Lese-, also auch Esstournee.

Foto: Newald

Wien - "Fütter mein Ego! Fütter mein Ego! Fütter mein Ego!"

Das war früher. In den 1980ern, als Blixa Bargeld noch mit ungesunder Laufstegfigur als Sänger der Einstürzenden Neubauten zum Rhythmus eines unter Einfluss stehenden Zentralnervensystems über die Bühne derwischte. Die Berliner Mauer stand noch wie für die Ewigkeit gebaut. Und an dieser Narbe der Weltanschauungen lärmten die Neubauten auf Instrumenten der Marke "Klau am Bau" als Speerspitze eines Industrial genannten Musikstils. Aber, wie gesagt, das war früher. Längst gelten die Neubauten als Klassiker, sind Galerien- und E-Kunst-tauglich geworden, weniger laut sowieso. Auch Bargelds Hunger hat sich verlagert. Nicht bloß das Ego schreit heute nach Futter, ganz profan meldet sich auch des Meisters Wanst.

Blixa Bargeld, heuer 50 geworden, hat eben das Büchlein Europa kreuzweise - Eine Litanei veröffentlicht (Residenz Verlag). Es ist ein Tour-Tagebuch, das sich jedoch weniger der Bühnenkunst widmet als der Zeit zwischen den Auftritten. Den Stunden im Bus und am Flughafen und vor allem jener Zeit, die Bargeld dafür aufwendet, ordentlich verköstigt zu werden. Am liebsten mehrgängig und - ganz wichtig - schon zu Mittag.

Denn: "Was soll ich machen? Ich bin auf das Mittagessen angewiesen. Wir sind das Abendprogramm, wir gehen als Letzte von der Bühne, spät; sollte es Vorbelustigung geben: noch später. Danach ist in den meisten Städten Sense. Die Restaurants sind längst geschlossen. Das Catering für Band und Crew ist am Nachmittag, nach der Tonprobe; so spät vor dem Auftritt kann und will ich nicht mehr essen."

Unermessliches Leid also, das nach einer "Litanei" verlangt. Doch Bargeld erspart sich und den Lesern den Schmerz des Hungers weitgehend. Stattdessen bezieht er aus dieser oftmals erfolglosen Schnitzeljagd zwischen Haubenköchen, Pizzaservice und selbsternannten Vier-Sterne-Verköstigern reichlich Humor, der sich gar selbstironisch nennen lässt. Keine Selbstverständlichkeit bei einer amtlichen Diva wie Bargeld.

Seine lakonischen Betrachtungen des Tour-Alltags lockert er mit Erinnerungen an die wilden Zeiten auf oder beschreibt Träume, in denen er in Trainingshose erscheint, mit autobiografischen Sätzen wie diesem: "Meine Bodenlosigkeit endet, wie meistens, im pharmazeutischen Realismus."

Ab Sonntag ist Blixa Bargeld für vier Lesungen und mindestens ebenso viele Mittagessen auf Österreich-Tournee. Dabei muss sich vor allem die Grazer und Klagenfurter Gastronomie anstrengen. Man möchte den Dichter am Abend doch nicht mit Sodbrand erleben. Eben. In diesem Sinne: Mahlzeit! (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe, 11.03.2009)