Durch die im Dezember 2008 bzw Januar 2009 in Kraft getretenen Europäische Mahnverordnung (" EuMahnVO" ) und Europäische Bagatellverordnung (" EuBagatellVO" ) stehen erstmals europarechtliche Verfahren zur Erlangung eines Vollstreckungstitels zur Verfügung. Das erleichtert grenzüberschreitende zivil- und handelsrechtliche Streitigkeiten in der EU.
Bisher musste der Gläubiger ein Urteil in einem Staat erlangen und dieses dann in einem exekutionsrechtlichen Prüfverfahren in allen Staaten, wo auf Vermögen gegriffen werden sollte, für vollstreckbar erklären lassen. Eine erste Erleichterung erfuhr die Exekution durch Einführung des EU-weit gültigen Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO).
Die EuMahnVO geht aber darüber hinaus. Ihr Ziel ist die Schaffung eines Europäischen Zahlungsbefehls für grenzüberschreitende Rechtssachen, deren Streitgegenstand eine bezifferbare Forderung aus einem vertraglichen Schuldverhältnis ist. Das Gericht erlässt in einem Mahnverfahren einen Europäischen Zahlungsbefehl. Der Antrag ist an das zuständige Gericht mittels eines europaweit einheitlichen Formulars zu übermitteln. Die Einspruchsfrist beträgt 30 Tage ab Zustellung. Legt der Antragsgegner Einspruch ein, so wird das Verfahren nach nationalem Prozessrecht ausgetragen.
Ein vollstreckbarer Europäischer Zahlungsbefehl wird nur in Ausnahmefällen überprüft und nichtig erklärt, z.B. wenn das Schriftstück nicht eigenhändig zugestellt wurde und den Antragsgegner ohne dessen Verschulden nicht erreichte. Dies ist in Österreich noch nicht relevant, weil Klagen derzeit noch eigenhändig mittels RSa zugestellt werden müssen.
Die EuBagatellVO bietet für geringfügige Forderungen bis zu einem Streitwert von 2000 Euro - nicht notwendigerweise Geldforderungen - alternativ zum nationalen Prozessrecht ein vereinfachtes Verfahren an. Nicht anwendbar ist die EuBagatellVO unter anderem auf arbeits- und mietrechtliche Streitigkeiten, Verletzungen der Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte.

Problem mit EMRK

Im Regelfall gibt es nur ein schriftliches Verfahren. Das kann problematisch sein, weil nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) eine mündliche Verhandlung Voraussetzung für ein faires Verfahren ist. Eine etwaige mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme kann als Video-Konferenz abgehalten werden.
Dokumente - außer der Klage selbst - müssen nur bei Erforderlichkeit übersetzt werden. Der Empfänger kann die Annahme eines Schriftstücks ablehnen, wenn es nicht in der Amtssprache des Empfangsorts oder einer Sprache, die er versteht, abgefasst ist.
Innerhalb von 30 Tagen nach Feststehen der Entscheidungsgrundlagen oder nach der mündlichen Verhandlung hat das Gericht sein Urteil zu fällen. Dagegen sind Rechtsmittel nach nationalem Recht zulässig. Da in Österreich Tatsachen und Beweismittel bereits in erster Instanz vorgebracht werden müssen, können Feststellungen der ersten Instanz aber nur begrenzt bekämpft werden. Titel nach der EuMahnVO und der EuBagatellVO werden in der gesamten Gemeinschaft - außer Dänemark - anerkannt und sind ohne weitere Hindernisse vollstreckbar.
Eine anwaltliche Vertretung ist nicht zwingend. Wegen der zahlreichen "Fallstricke" bei Inanspruchnahme dieser neuen Instrumente ist anwaltliche Beratung aber wohl unverzichtbar. Insbesondere bei Erhalt von Zahlungsbefehlen sollte möglichst noch am selben Tag ein Anwalt eingeschaltet werden, um keine Fristen zu versäumen. (Gregor Jünger, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 11.3.2009)