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Michelle Obama im ärmellosen Kleid bei der Eröffnung einer Veranstaltung zu Ehren des Musikers Stevie Wonder im Weißen Haus - für das konservative Amerika eine Provokation.

Foto: EPA/RON SACHS / POOL

Die Vorrede spart sie sich. Ein paar nette Worte für Arne Duncan, den Bildungsminister, das muss reichen. Nach drei Sätzen spricht Michelle Obama von gleichen Chancen für alle, auch für Kinder, die im Ghetto aufwachsen. Eindringlich beschwört sie den Gemeinsinn, hält eine Laudatio auf die staatlichen Schulen, die für wohlhabende Amerikaner noch immer das Stigma mangelnder Disziplin und schlechten Unterrichts tragen.

"Ich bin ja selbst ein Produkt Ihrer Arbeit", bedankt sie sich bei den Lehrern, die auf den Stuhlreihen vor ihr sitzen. „Ich bin ein Produkt von Leuten, die jeden Tag investiert haben in die Bildung normaler Kids." Ihr Weg, erinnert sie ihr Publikum, habe von der South Side Chicagos, den Kleine-Leute-Vierteln im tristen Süden der Wolkenkratzerstadt, über die Eliteschmieden von Princeton und Harvard nach oben geführt. So müsse es noch viel öfter gelingen. „Wir werden investieren, wir werden mehr als zehntausend Schulen renovieren und modernisieren."
Im Übereifer sagt die First Lady "wir", wo sie ein Kabinett meint, dem sie gar nicht angehört. Sie bemerkt ihren Versprecher, „na ja, vielleicht ist das nicht ganz richtig, ich spreche natürlich vom Wir unserer Administration". Herzlicher Applaus belohnt ihren Enthusiasmus. Auch wenn Kommentatoren hinterher fragen, wieso die Obamas ihre eigenen Töchter dann auf eine Privatschule schicken.

Neulich im Bildungsministerium, das war die Powerfrau, die schon den Wahlkampf an der Seite ihres Mannes prägte. Genauso eloquent wie Barack, ohne Notizen redend, mindestens ebenso sehr bedacht aufs Soziale. Michelle Obama, prophezeit ihre Biografin Liza Mundy, werde noch erheblichen Einfluss auf die Regierungsarbeit nehmen, nur eben informell. Ohnehin bespreche ihr Gatte alles mit ihr, keineswegs nur Privates.

Glamourös und bodenständig

Doch sie muss sich mit dem Rollenverständnis arrangieren, wie es ihre Landsleute mit einer First Lady verbinden. Glamourös wollen sie sie, zugleich bodenständig. Souveränität soll sie ausstrahlen, aber sie darf nicht auftreten wie eine Königin. Idealerweise soll sie eine Modeikone sein, aber keine zu ausgefallene. Es ist eine Art Slalomlauf zwischen Tretminen.

Für das konservative Amerika ist Michelle Obama eine Provokation, allein wegen ihres Modestils. Sie mag ärmellose Kleider. Ärmellos präsentierte sie sich auf dem Titelblatt des Glitzermagazins Vogue, ärmellos saß sie in der Ehrenloge des Repräsentantenhauses, als ihr Mann über die Lage der Nation sprach. Es steht ihr gut, finden ausgewiesene ExpertInnen. Nur nicht Cindi Leive, Chefredakteurin des Magazins Glamour. "Oh mein Gott", entfuhr es ihr, "die First Lady sitzt mit nackten Armen im Kongress. Im Februar! Abends!"

Prompt folgte die skurrile Debatte, ob die Arme nicht zu muskulös seien, um sie derart zur Schau zu stellen. Maureen Dowd, die spöttischste Feder der New York Times, drehte den Spieß ironisch-elegant um, gegen die Lästermäuler. "Lasst es uns endlich zugeben. Michelle Obamas wohlgeformter Bizeps ist doch das einzige belebende Symbol amerikanischer Stärke, das wir zurzeit haben." (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 9.3.2009)