Seit Tagen wird die Nation von der Frage in Atem gehalten, ob Lehrer angesichts der Budgetzwänge der Ministerin zwei Stunden mehr arbeiten müssen. Aber warum Claudia Schmied überhaupt vor solchen Geldnöten steht, wird kaum diskutiert.

Denn dass in der Krise gespart werden muss, das leuchtet jedem Bürger ein. Schließlich müssen auch Haushalte und Unternehmen den Gürtel enger schnallen. Daher kann ÖVP-Finanzminister Josef Pröll mit viel öffentlichem Verständnis rechnen, wenn er als Ausgleich für verschiedene Konjunkturpakete seinen Ministerkollegen nun deren Budgets zusammenstreicht - und dabei auch den oft ungeliebten Lehrern Opfer abverlangt.

Mit intelligenter Budgetpolitik hat dies allerdings nichts zu tun. Wenn jeder in der Krise zu sparen beginnt, dann wird - wie inzwischen die meisten wissen - die Gesamtlage noch viel schlimmer. Aber einzelne Bürger und Firmen können gar nicht anders handeln. Sie müssen für harte Zeiten vorsorgen. Gegensteuern kann nur der Finanzminister, indem er eine temporäre Ausweitung des Budgetsdefizits in Kauf nimmt.

Das tut Pröll auch, aber nur halbherzig. Immer noch schielt er auf die Drei-Prozent-Marke im Stabilitätspakt, um die sich in Europa inzwischen kaum noch jemand kümmert. Und das zu Recht, denn was die Welt derzeit erlebt, ist keine gewöhnliche Rezession, sondern ein dramatischer Einbruch in der Nachfrage, der von den Regierungen aufgefangen werden muss, um eine wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern. Ein Budgetdefizit von vier, fünf oder sechs Prozent wäre auf einige Jahre nicht nur akzeptabel, sondern sogar erstrebenswert - solange das Geld für vernünftige Zwecke ausgegeben wird.

In Österreichs Antwort auf die Krise nehmen Steuersenkungen einen unverhältnismäßig hohen Anteil ein. Die Steuerreform erfreut zwar die von Abgaben geplagten Bürger, aber der Konjunktur nützt sie wenig, denn in schlechten Zeiten wird solches Geld gern auf die hohe Kante gelegt. Auch die geplanten Steuerzuckerln für Unternehmensinvestitionen werden ihr Ziel verfehlen, wenn tausende Betriebe heuer keine Gewinne schreiben.

Auf der Ausgabenseite pumpt die Regierung mehr Geld in Straßenbau und Bahnhofsrenovierung und spart dafür bei Lehrern und Richtern. Das nutzt zwar der Bauwirtschaft, setzt aber die Prioritäten verkehrt rum. Denn so angenehm moderne Bahnhöfe für Reisende auch sein mögen, die Produktivität unserer Wirtschaft wird viel eher durch bessere Schulen erhöht. Das Sparprogramm in der Bildung ist, ebenso wie die zögerliche Erhöhung der Uni-Budgets, kurz- und langfristig verfehlt.

Es gibt noch einen weiteren Grund, gerade jetzt nicht bei Lehrerposten zu knausern. Die Finanzkrise ist auch ein Symptom der postindustriellen Gesellschaft: Weil immer weniger Menschen in der Industrie Arbeit finden, muss der Dienstleistungssektor zwangsläufig wachsen. Gerade die sinnvollen Jobs in diesem Bereich sind allerdings oft von staatlicher Finanzierung abhängig, und die wurde seit Jahrzehnten immer knapper. Da es zu wenig Lehrer- und Forscherstellen gab, ließen sich zahlreiche Universitätsabsolventen zu Aktienhändlern oder Anlageberatern umschulen. Dort trugen sie mit ihrem Können zum Wachsen jener Finanzblase bei, deren Platzen nun den Staat viel, viel mehr kostet, als er zuvor bei produktiven Tätigkeiten eingespart hat.

All diese Probleme kann Pröll nicht lösen. Aber er könnte die Krise sehr wohl dafür nutzen, in jene Bereiche zu investieren, in denen sich unsere Zukunft entscheidet - selbst wenn seine Partei es gar nicht schätzt, was die zuständige Ministerin mit dem zusätzlichen Geld machen würde. (Eric Frey/DER STANDARD Printausgabe, 7./8. März 2009)