Bild nicht mehr verfügbar.

Tausende Frauen leben im ehemaligen Jugoslawien nicht nur mit dem Schmerz, im Krieg Angehörige verloren zu haben, sondern auch traumatisiert davon, vergewaltigt worden zu sein.

Foto: AP

Wien - „Sie sind vergessen und verlassen", sagt Fadila Memisevic, Direktorin der bosnischen Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker, wenn sie von den vergewaltigten Frauen im Jugoslawienkrieg spricht. Wie viele Frauen dieses Schicksal erlitten haben, lasse sich nur schätzen. Mehr als 20.000 seien es sicher, sagt Memisevic.

Sie leben meist in Armut, ohne Ausbildung oder Arbeit, geschweige denn psychische Betreuung für „ein Trauma, das ihnen ein Leben lang bleibt". Die meisten können nicht zurück in ihre Ortschaften, „weil die Peiniger dort noch auf freiem Fuß sind. Außerdem sind sie stigmatisiert."

Seit kurzem sind die Opfer von sexueller Gewalt in dem Landesteil Förderation von Bosnien-Herzegowina als Zivilopfer anerkannt und erhalten dort eine kleine Rente. In der Republika Srpska leben die meisten, die von ihren Vergewaltigern oft Kinder bekamen, nur von dem Kindergeld, das umgerechnet etwa 15 Euro im Monat beträgt. „Eine Rente für alle wäre das erste, das die Regierung schaffen müsste", sagt Memisevic. Sie steht der UNO-Resolution 1820, die der UN-Sicherheitsrat im Juni 2008 verabschiedete, skeptisch gegenüber: „Das ist nur eine Papierwelt."

Gewaltexzesse im Kongo

Die Resolution fordert die Mitgliedstaaten auf, die Gewaltverbrecher strafrechtlich zu verfolgen. Besonders viele sexuelle Übergriffe auf Frauen in Kriegsgebieten gab es in Afghanistan, im Irak und im Kosovo. Im Sudan, in Nigeria und dem Kongo ist das Problem derzeit akut. Laut Schätzungen von Helfern wurden im den Kriegsgebieten des Kongo bis zu 70 Prozent der Frauen Opfer von Vergewaltigungen. Genaue Zahlen gibt es nicht.

Laut der kurdisch-türkischen Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin wird Vergewaltigung in Kriegen und bei bewaffneten Auseinandersetzungen „bewusst eingesetzt, mit dem Ziel, die Gesellschaft zu traumatisieren". Das sei im Kongo und im Sudan so - und in den türkischen Kurdengebieten sei es von 1990 bis 1997 zu gezielten Übergriffen gekommen.
Keskin, gegen die in der Türkei bereits über 90 Ermittlungsverfahren gelaufen sind, unterstützt auch Frauen, die von türkischen Polizisten oder Militärangehörigen bei ganz normalen Amtshandlungen vergewaltigt oder belästigt wurden. 300 Klientinnen betreut ihr Verein, doch nur die wenigsten trauen sich, Anzeige zu erstatten.

Denn das Militär ist laut Keskin in der Türkei immer noch "die alles bestimmende Kraft": Eine Macht, die mittels einer "demokratischen Verfassung" eingeschränkt werden müsse. Ein EU-Beitritt würde in diese Richtung „Druck machen", sagt sie. (Irene Brickner und Gudrun Springer/ DER STANDARD Printausgabe, 7.3.2009)