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Ärzte als Frontfiguren eines teuren Gesundheitssystems werden in Langbeins Buch zu Schuldigen. Kritisiert wird mangelnde Transparenz

Foto: APA/BARBARA GINDL

STANDARD: Immer häufiger erscheinen Bücher, die Ärzte ins Visier nehmen. Wie ernst nimmt die Ärztekammer derartige Publikationen?

Mayer: Kommt auf den Inhalt an, und der scheint, was dieses Buch betrifft, alte Geschichten aufzuwärmen. Über die Studie aus Salzburg zu den Vielverschreibungen bei älteren Patienten diskutieren wir selbst. Ich weiß auch nicht, dass Dokumente unterdrückt würden. Qualitätsmanagement ist ein wichtiges Thema für uns.

STANDARD: Welche konkreten Initiativen gibt es?

Mayer: Eine ganze Reihe von Initiativen zu Qualitäts- und Fehlermanagement in Spitälern, etwa das Critical Incident Reporting System (CIRS), ein System, das dabei hilft, aus Beinahe-Fehlern zu lernen. Solche Projekte finden statt, wir hängen sie aber nicht an die große Glocke, sondern arbeiten an Verbesserungen. Letztendlich ist es ein Kommunikationsproblem.

STANDARD: Ist es für Ärzte nicht schwer, Fehler einzugestehen?

Mayer: Der Drama jedes medizinischen Fehlers ist, dass dabei ein Mensch in irgendeiner Form zu Schaden kommt. Das macht den Arztberuf auch so stressreich. Meistens sind es kleinere Fehler, aber im Spital kann es schnell auch um Menschenleben gehen. Zusätzlich ist durch die moderne Medizin der Eindruck entstanden, dass ein Menschenleben immer erhalten werden kann und auch der Tod eines 90-Jährigen ein Drama ist. Ein statistisch wichtiges Faktum ist, dass 38.000 Österreicher im Spital sterben. Das ist die Hälfte aller Todesfälle.

STANDARD: Vier von zehn Menschen sterben im OP, behauptet Langbein.

Mayer: Vor einem Kommentar will ich die harten Fakten.

STANDARD: Wie schwierig ist Selbstkritik für die Ärztekammer?

Mayer: Die Selbstkritik der Ärztekammer ist eine Sache, letztlich geht es aber um die Fähigkeit zu Selbstkritik jedes einzelnen Arztes. Da gibt es individuelle Unterschiede. Institutionell haben wir in den letzten Jahren Risikomanagement eingeführt. Beispiels- weise untersucht man die ungeplante Rückkehr von Patienten in den OP.

STANDARD: Stehen nicht Haftungsfragen der Selbstkritik im Weg?

Mayer: Strafverfahren, die aus Behandlungsfehlern resultieren, machen für uns Fehlermanagement nicht leichter. Das offene Kommunizieren von Fehlern ist ja der richtige Schritt, denn die meisten Patienten reagieren positiv darauf. Schulungen in dieser Richtung zeigen aber erst langfristig Resul-tate.

STANDARD: Was sind konkrete Maßnahmen von Fehlermanagement?

Mayer: Damit aufzuhören, Ärzte, die Fehler gemacht haben, an den Pranger zu stellen, wäre der erste Schritt. Die ÖQmed bietet die Ausbildung zu Riskmanagement an. Auch andere Berufsgruppen im Spital sind miteingebunden.

STANDARD: Werden in Spitälern zu viele Untersuchungen gemacht?

Mayer: 50 Prozent aller Untersuchungen, die gemacht werden, sind für den Fall, dass Patienten zu Gericht gehen. Deshalb haben wir auch Behandlungsleitlinien entwickelt, an die wir uns halten. Wenn ein Arzt eine Untersuchung auslässt und genau das dann dazu führt, dass eine Erkrankung nicht erkannt wird, kann er bei Gericht später nicht sagen, er habe das nicht gemacht, weil er dem System beim Sparen helfen wollte. Wir haben eine Absicherungsmedizin.

STANDARD: Das macht Krankenhäuser auch so teuer ...

Mayer: Weil Medizin im niedergelassenen Bereich eben nur von 8 bis 18 Uhr stattfindet. Krankenhäuser sind 24 Stunden offen. Das kostet Geld, und natürlich haben wir dort eine Abklärungssystematik, die es im niedergelassenen Bereich nicht gibt. Diese Diskrepanz kann nur die Politik lösen. Schließlich können wir Ärzte nicht die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten rationieren und sie nur bestimmten Patienten zuteil werden lassen. (DER STANDARD, Printausgabe, 09.03.2009)