Muhammed und Franziska sollen lernen, dass "Lernen dürfen" ein Privileg ist: Wiens Industrielle haben ihre eigenen Pläne, wenn es um die Zukunft der Bildung in der Bundeshauptstadt geht.

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Wiens neuer IV-Chef Georg Kapsch.

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Mit der Stadt Wien will Kapsch ein Bildungsabkommen schließen und Migranten besser fördern.

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Wien - Der Telematik-Unternehmer Georg Kapsch ist zuversichtlich: Wiens Wirtschaft sei "strukturell gesund" , er sei sicher, "dass es bald wieder aufwärts geht" . Der Industriellen-Funktionär Kapsch macht sich dann aber doch ein paar Sorgen. Seit Dezember 2008 ist er Chef der Wiener Industriellenvereinigung (IV), und bereits jetzt sei klar: "Wir brauchen ein neues Standort-Abkommen mit der Stadt." Vor allem in den Bereichen "Bildung" und "Migranten" will sich Kapsch engagieren, ihm schwebt Ähnliches wie das Manifest der Bundes-IV, "Schule 2020" , für Wien vor.

"Es ist erschreckend, wie schlecht gebildet junge Menschen heute sind" , sagt Kapsch, und weiter: "Die Hauptschulen in Wien sind nicht von der Qualität, die wir uns wünschen." Zudem gebe es viel zu wenige internationale Schulen in Wien, Ostsprachen würden nur selten als Unterrichtsgegenstand angeboten. Kapsch: "Es ist immer noch nicht in den Köpfen, dass Ostösterreicher vielleicht eher Russisch, Polnisch oder Tschechisch brauchen als Französisch." Überhaupt herrsche ein latent bildungsfeindliches Klima und eine "extreme Respektlosigkeit" an Wiens Schulen: "Es muss in alle Köpfe hinein, dass es ein Privileg ist, lernen zu dürfen."

Der von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SP) kürzlich verkündete Gratiskindergarten sei "aus spracherzieherischen Gründen zu begrüßen" . Andererseits hätte Kapsch lieber eine verpflichtende Vorschule: "Da steckt das Wort ,Schule‘ drin und hat mit Pflicht zu tun, und nur so wird man auch alle Kinder erreichen können." Zudem müssten junge Leute an die Technik herangeführt werden, das passiere derzeit viel zu wenig. Kapsch: "Da könnten wir Referenten aus der Praxis anbieten, davon gibt es genug." Allein: Derzeit sei das alles sehr kompliziert, allein, was die Genehmigungen für selbstmitgebrachte Lehrmittel betreffe.

Ein weiteres, großes Thema seien Entlohnung und Dienstrechtreform für Lehrer: Es könne nicht sein, meint Kapsch, "dass es in der Volksschule, in der Hauptschule und an den AHS unterschiedliche Lehrverträge gibt" . Dass sich die Lehrer nun weigerten, zwei Stunden mehr zu unterrichten, betrachte er als "echten Affront" , dafür habe "die Industrie kein Verständnis" .

Bis zum Juni will die Wiener IV ihr neues "Standort-Abkommen" fertig haben.(Petra Stuiber/DER STANDARD Printausgabe, 6. März 200)