Wien - Die von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) geplante Ausweitung der Lehrerarbeitszeit um zwei Stunden wird von Bildungsexperten als reine Sparmaßnahme in Zeiten der Wirtschaftskrise interpretiert, die für die Schüler keine Verbesserungen bringen wird. "Es ist eine Einheitsmaßnahme", meint die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel am Donnerstag im Gespräch mit der APA. Sie plädiert - wie auch Erziehungswissenschafter Karl-Heinz Gruber - für ein neues Arbeitszeitmodell, bei dem Unterricht und andere Tätigkeiten (Vorbereitung, Fortbildung, Elternarbeit etc.) "als gleichwertig anerkannt werden".

Nicht mehr Zeit für Schüler

Das Problem an der ausgeweiteten Unterrichtsverpflichtung laut Spiel: Durch diese hätten die Lehrer eben nicht mehr Zeit für ihre Schüler, da sie die zusätzlichen zwei Stunden in einer anderen Klasse stehen würden. Außerdem müsse man unterscheiden, ob ein Lehrer etwa mehr Turnunterricht abhalte, oder ob er ein Schularbeitsfach unterrichte und dadurch deutlich Mehrarbeit auf ihn zukomme. Leise Kritik übte Spiel an jenen Projekten, mit deren Finanzierungsbedarf Schmied die erhöhte Unterrichtspflicht begründet. So sei etwa die flächendeckende Senkung der Klassenschülerzahlen nur dann erfolgreich im Sinne einer Erhöhung der Kompetenzen der Schüler, wenn dies auch mit dem Einsatz von anderen Unterrichtsformen verbunden ist (statt Frontalunterricht z.B. Gruppenarbeiten, Förderung von selbstreguliertem Lernen, etc.), was laut Analysen von Bildungsökonomen nicht automatisch der Fall ist. Spiel plädiert daher für sehr gezielte Maßnahmen, etwa in Klassen mit extrem hoher Migrantenanteil bzw. vielen sozial benachteiligten Schüler.

Engagement soll zählen

Auf Basis des Konzepts der "Zukunftskommission", die 2005 Schulreformen erarbeiten sollte, plädiert Spiel für ein neues Laufbahnmodell für Lehrer. Die Kernpunkte: Die Anzahl der Unterrichtsstunden soll davon abhängen, wie sehr ein Lehrer sich in anderen Bereichen engagiert (Schulprogrammarbeit und Schulentwicklung, Mentoring jüngerer Kollegen etc.). Strukturelle Voraussetzung sei Einführung eines Jahresarbeitszeitmodells in allen Schultypen, Kernarbeitszeiten in der Schule sollen Teamarbeit ermöglichen - unter der Voraussetzung, dass die Schule als Lebens- und Arbeitsraum gestaltet werde. Durch diese innerschulische Differenzierung solle berücksichtigt werden, dass sich im Lauf des Lebens die Interessen verändern, sagte Spiel. Wer sich in einem per Portfolio von der jeweiligen Schule festgelegten Bereich weiterbildet, soll außerdem die Möglichkeit haben, ins mittlere Management aufzusteigen. Dies wäre gleichzeitig ein adäquates Mittel gegen Demotivation und Burn-Out.

Gruner schlägt vor zuzustimmen

Einen Vorschlag, der "aus Sicht der Lehrerschaft ein bisschen kühn und ketzerisch" sein möge, machte Gruber Mittwoch Abend in der ZIB2: "Es erscheint mir sinnvoll unter den Zeitzwängen, die es momentan gibt, zu sagen: Wir als Gewerkschaft akzeptieren mit knirschenden Zähnen für zwei Jahre diese Bedingungen (die Ausweitung der Unterrichtspflicht, Anm.)." In dieser Zeit müsse jedoch mittel- bis langfristig "die gesamte Arbeitszeit der Lehrer neu definiert werden". Lehrer sollten, so Gruber, eine Globalverpflichtung bekommen und ein "verantwortungsvoller Schulleiter" für Fairness und effizienten Einsatz seiner Ressourcen sorgen. (APA)